München:Die Holland-Offensive

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Was haben Fußball, Kunst und Autos gemeinsam? Auf allen Gebieten haben die Holländer in München die Macht übernommen - mit Weltoffenheit, Charme und Kreativität.

Christian Mayer

Vielleicht steckt ja doch mehr dahinter, vielleicht hat das Königreich der Niederlande insgeheim beschlossen, München mit einer eigenen Kreativabteilung zu unterwandern. Die Kammerspiele werden jedenfalls seit kurzem von einem hemdsärmeligen Charmeur aus dem winzigen Heerjansdam regiert, die Weltfirma BMW beschäftigt einen Chefdesigner aus Echt in Südholland, der FC Bayern vertraut auf die Motivationskünste eines autokratischen Fußballphilosophen aus Amsterdam. Johan Simons, Adrian van Hooydonk, Louis van Gaal: Drei Holländer mischen München auf.

Die Malerin und der Impresario: Marlene Dumas und Museumsdirektor Chris Dercon im Haus der Kunst. (Foto: Robert Haas)

Donnerstag war wieder mal Oranje-Abend. Den größten Auftritt hatte zweifellos Truus van Gaal, die das Privileg hat, der einzige Mensch zu sein, vor dem der amtierende Bayern-Coach einen Heidenrespekt hat. Frau van Gaals Auftritt in der Arena der Münchner Prosecco-Fraktion - es galt, die 589. Premiere eines Schuhbeck-Palazzos zu bejubeln - war jedenfalls hinreißend.

Die Dame aus den Niederlanden trug ein hautenges, metallicfarbenes Etuitkleid mit entsprechender Handtasche. Mit dieser Glamour-Aufmachung und ihrer natürlichen Lässigkeit stahl sie im Spiegelzelt der versammelten Schuhbeck-Kamarilla die Show. Oh ja, diese Holländer. Sie sind einerseits ehrgeizig und erfolgreich, aber eben auch recht unbekümmert, was öffentliche Auftritte angeht - und das ist keinesfalls auf den derzeit leider verletzten Goldfußdribbler Arjen Robben beschränkt.

Zeitgleich zum Schuhbeck-Spektakel fand am Donnerstagabend im Haus der Kunst eine bemerkenswerte Ausstellungseröffnung statt. Die Künstlerin Marlene Dumas, Südafrikanerin mit niederländischem Pass, wurde vom gesamten diplomatischen Corps des Vereinigten Königreichs eskortiert; der Botschafter aus Berlin, der Generalkonsul aus München, der zuständige Kulturattaché, alle waren sie gekommen, um eine außergewöhnliche Malerin zu ehren.

Botschafter Marnix Krop machte sich ein wenig über den Holländer-Boom lustig - auch der Münchner Kunstverein ist ja mit dem Kurator Bart van der Heide in niederländischer Hand. "Fußball, Theater, schöne Bilder: Man könnte meinen, wir seien nur zum Spielen hier", sagte Krop.

In diese Kategorie passt auch der bald scheidende Museumsdirektor Chris Dercon, der zwar Belgier ist, sich selbst aber als "fliegenden Holländer" bezeichnet, weil er die "vorteilhafte Ironie" und die Weltoffenheit der Niederländer schätzt. Wenn Dercon demnächst seine Lieblingsholländer an der Tate Modern in London ausstellt, werden die Münchner noch sehen, wen sie da verloren haben.

Marlene Dumas ist übrigens genauso unverklemmt und lebenslustig wie Truus van Gaal. Sie versteht kein Wort Deutsch, aber dass deutsche Redner immer sehr ernsthaft und steif sind, fiel ihr sofort auf. "Ich habe am liebsten das letzte Wort, dann kann man auf die Vorredner reagieren und den ganzen Blödsinn korrigieren", sagte Dumas.

Danach führte sie spontane Bewunderer durch ihre Ausstellung, erklärte geduldig jedes einzelne Bild und ließ sich bereitwillig fotografieren, was deutsche Großkünstler aus Eitelkeitsgründen ablehnen. Im Bratwurst-Glöckl am Dom gab es noch ein nächtliches Gelage, der Hunger war gewaltig. Holländern in München ist eben alles zuzutrauen, sie essen sogar Sauerkraut, wenn es sein muss.

© SZ vom 30.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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