Mediziner demonstrieren:Trillerpfeifen und Fußballvergleiche

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Zum Streikauftakt der Ärzte an kommunalen Kliniken gibt es deutliche Worte und eine Notbesetzung.

Stephan Handel

"Ich glaub', ich muss meinem Hausarzt mal was spenden", sagt der Passant lachend zu seinem Begleiter angesichts der Tausenden, die mit Transparenten und Plakaten durch die Sonnenstraße marschieren. Da irrt der Mann: Es sind nicht Hausärzte, die für mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen demonstrieren, sondern Mediziner an kommunalen Kliniken. 4000 von ihnen kamen am gestrigen Montag zur Auftaktkundgebung für den bundesweiten Ärztestreik.

Mediziner demonstrieren in München: Fünf Prozent mehr Gehalt wollen sie, vor allem aber Anerkennung ihrer Arbeit. (Foto: Foto: AP)

Zwei Stunden vorher waren sie am St.-Pauls-Platz zusammengekommen: viele junge Mediziner, aber auch Kollegen im Oberarzt-Alter. Sie tragen Schilder, die dafür, dass sie von Ärzten geschrieben wurden, erstaunlich lesbar sind. "Vom Halbgott in Weiß zum Depp der Nation" steht darauf oder "Nur Jesus hat umsonst geheilt". Einer hat seine Trompete mitgebracht und versucht seine Kollegen mit der Titelmelodie aus "Star Wars" kämpferisch zu stimmen. Die antworten mit Trillerpfeifen.

Worum es ihnen geht, das hat kurz zuvor auf einer Pressekonferenz Rudolf Henke erklärt, der Bundesvorsitzende des Marburger Bundes, der die angestellten Ärzte vertritt: Fünf Prozent mehr Gehalt wollen sie, das auch, vor allem aber Anerkennung ihrer Arbeit - die sich eben auch in Geld ausdrückt: Wenn ein Arzt nachts arbeitet, dann bekommt er pro Stunde einen Zuschlag von 1,28 Euro - "eine Beleidigung!", ruft Henke.

Deshalb sind sie also nach München gekommen, aus Frankfurt, Hannover, Koblenz, Bad Reichenhall, Trostberg, haben ihre Arztkittel angezogen und blasen in ihre Pfeifen. Nur die roten Jacken einiger Notärzte stechen aus dem weißen Block hervor. "Wenn ich nachts acht Stunden arbeite", sagt einer, "dann hab' ich am Ende gerade mal zehn Euro mehr." Die Umstehenden nicken zustimmend.

Dann geht's los Richtung Bayerstraße, aber schon nach wenigen Metern hält der Zug an: Vor dem Haus des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Bayern (KAV) pfeifen sie drei verschreckte Bürodamen hinter geschlossenen Fenstern aus. Später, bei der Kundgebung am Stachus, wird dem KAV-Vorsitzenden Thomas Böhle, im Hauptberuf Münchens Personalreferent, ein Buhkonzert bereitet, das er wahrscheinlich noch in seinem Büro am Marienplatz gehört hat.

"Dickschädeligkeit der Arbeitgeber"

In den Städtischen Kliniken verlief der erste Streiktag hingegen relativ ruhig: Der Marburger Bund hat mit den bestreikten Häusern Notdienst-Vereinbarungen getroffen, die die Patienten- und Notfallversorgung sicherstellen sollen. Von den 1400 Ärzten, die an den Kliniken Schwabing, Harlaching, Neuperlach und Bogenhausen arbeiten, traten, so schätzt der Marburger Bund, etwa die Hälfte in den Ausstand. Das Klinikum selbst meldet, dass alles "sehr unaufgeregt und in einer besonnenen Atmosphäre" verlaufe. Patientenbeschwerden habe es nicht gegeben.

Auf dem Stachus geißelt Rudolf Henke nun die "Dickschädeligkeit der Arbeitgeber": Durch die schlechte Bezahlung werde der Arbeitsplatz kommunales Krankenhaus für Ärzte uninteressant, so dass bald noch mehr Stellen unbesetzt blieben als die 5000 jetzt schon. Und weil Fußball-Vergleiche immer gut sind, rechnet Henke seinen Kollegen noch vor: "Wer mit zu wenig Leuten aufläuft, kann das Spiel nicht gewinnen." Sie seien fest entschlossen, so lange zu streiken, bis die Arbeitgeber ein "vernünftiges Angebot" vorlegen. Die 2,9 Prozent mehr Gehalt, die diese zuletzt angeboten hatten, sind den 4000 vom Stachus jedenfalls deutlich zu wenig.

© SZ vom 15.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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