Literatur:Gabriel greift nach den Sternen

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Gabriel Hoffmann hat seine Faszination für den Weltraum in ein Gedicht gefasst. (Foto: Florian Peljak)

Ein Neunjähriger aus Grünwald hat den Lockdown genutzt, um zu schreiben - und gleich mehrere Preise gewonnen

Von Claudia Wessel, Grünwald

Gabriel Hoffmanns Lehrerin hat großen Anteil an der mit dem Corona-Lockdown so richtig ins Rollen gekommenen Schriftstellerkarriere, die dem Neunjährigen innerhalb weniger Monate drei Literaturpreise und ein Engagement als Mitglied einer Kinderjury beschert hat. Die Heimatkundelehrerin in der Grundschule in Solln nämlich behandelte im vergangenen Herbst im Unterricht das Gedicht von James Krüss mit dem Titel "Mein Lebens-ABC". Die ersten Zeilen lauten: "Auf der Insel Helgoland / Bei viel Wasser, Wind und Sand / Centimeterkurz (kein Held) / Drang ich ein ins Licht der Welt..." Die Schüler bekamen die Aufgabe, ihr eigenes Lebens-ABC zu schreiben. Das machte Gabriel auch, aber es war ihm zu wenig. Weil er, seit er denken kann, ein Fan dessen ist, was sich außerhalb des Planeten Erde abspielt, schrieb er ein "Weltraum-ABC".

Dessen erste Zeilen ziehen einen schon gleich in ihren Bann: "Andromedagalaxie am Rande der Milchstraße - / Billionen Sterne funkeln dort / Centauri Proxima, A und B - / sie bilden ein eigenes ABC / Dunkle Materie ist unsichtbar, / aber sie ist da / Erde ist ein blauer Planet / in unserem Sonnensystem. . ." Es hat noch viele weitere Zeilen, die jeweils mit dem nächsten Buchstaben des Alphabets beginnen, bis zum Z. "Ich habe es an einem Tag geschrieben", sagt Gabriel beim Treffen am Marktplatz in Grünwald - und zwar noch ganz altmodisch mit der Hand, nicht am Computer. Zuerst verfasste er dieses geradezu philosophische Gedicht nur für sich. Dann aber erfuhr die Familie von "Theo". So heißt der Berlin-Brandenburgische Preis für Junge Literatur, und die Ausschreibung für 2021 lautete: "Auf der anderen Seite."

Da passte das Gedicht aus dem Weltraum natürlich perfekt, und Gabriel schickte es ein. "Theo" gibt es seit 2008, der Wettbewerb wird ausgeschrieben vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels Berlin-Brandenburg und dem Verein Wortbau. Er richtet sich an Kinder und Jugendliche. 700 Einsendungen gingen 2021 ein, 30 Kinder gewannen eine Online-Literaturwoche, 14 Kinder wurden als Preisträger ermittelt, darunter auch Gabriel. Nur einer der Sieger ist jünger als er, nämlich acht Jahre alt. Noch ein weiterer ist neun Jahre wie Gabriel, alle anderen sind zwischen elf und 18 Jahren. Ihre Werke landeten in der Anthologie "Auf der anderen Seite" und alle werden am 5. September im Roten Rathaus in Berlin als Preisträger geehrt.

Das wird aber bereits Gabriels zweite Preisverleihung sein. Denn er hat schon einmal den ersten Platz in einem Schreibwettbewerb gewonnen, und zwar in dem vom Bayerischen Rundfunk ausgeschriebenen Wettbwerb "Beethoven Mystery XXL", der im Jahr des 200. Geburtstages von Beethoven 2020 ausgeschrieben war. Auch hier spielte Gabriels Lehrerin eine nicht unwesentlich Rolle, denn auch von diesem Projekt erfuhren die Schüler im Unterricht. Eine Aufgabe war dann, sich eine Geschichte dazu auszudenken und einzureichen. Die ersten Sätze waren vorgegeben. Auch hier hatte Gabriel Erfolg, seine Geschichte wurde vertont. Die Preisverleihung fand im November 2020 während des Lockdowns online statt.

Dieser erste Erfolg aber war es, der Gabriel motivierte, weiterzuschreiben. Seine Eltern halfen, indem sie nach Literaturpreisen für Kinder recherchierten, und so fanden sie unter anderem "Theo", aber auch einen Wettbewerb des Kinderbuchverlags Lama. Und schon wieder gehörte Gabriel zu den Preisträgern, seine Geschichte "Das Geheimnis der magischen Stunde" landete im Detektivgeschichtenbuch des Verlags. Und Gabriels Erfolgsgeschichte ist damit noch immer nicht zu Ende erzählt. Denn inzwischen ist er auch Mitglied einer Jury, und zwar als eines von fünf Kindern, die im Kinderkanal Kika Drehbücher beurteilen. Dafür hat er im Herbst auch schon wieder einen Reisetermin, nämlich nach Erfurt zum Sender. Dort wird die erste Jurysitzung stattfinden, inklusive Studiobesichtigung.

Das alles übrigens, lässt Gabriel noch durchblicken, hat durchaus auch etwas mit dem Lockdown zu tun. Weil alle anderen Aktivitäten nicht möglich waren, hatte er die Zeit, sich aufs Schreiben zu konzentrieren. Und das hat sich gelohnt. Natürlich kommt nun auch die Frage nach der Zukunft und dem Berufswunsch. "Ich bin ein sehr neugieriger Junge. Ich weiß nicht, was ich werden will, aber ich werde auf jeden Fall weiterschreiben." Erst einmal geht er im September in die fünfte Klasse des Grünwalder Gymnasiums. Der Weltraum wird weiterhin eine große Rolle in seinem Leben spielen. So etwa verfolgt er regelmäßig die Live-Berichte der Nasa auf einer App. Auch dass er selbst einmal in den Weltraum reist, will Gabriel nicht ausschließen. In der Fantasie aber wird er auf jeden Fall noch öfters dort unterwegs sein.

Die feierliche Preisverleihung des Theo-Wettbewerbs erfolgt am Sonntag, 5. September, im Roten Rathaus in Berlin. Der Festakt mit geladenen Gästen beginnt um 15 Uhr und wird via Livestream übertragen und kann auf www.theo-schreibwettbewerb.de abgerufen werden. Die Prämierten tragen ihre Texte vor und werden jeweils mit einer Laudatio durch die Jury geehrt.

© SZ vom 27.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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