LGBTQ+ an Schulen:Anstoß vom Antreiber

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Große Bühne: Ex-Fußball-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger (rechts) im Lise-Meitner-Gymnasium in Unterhaching. (Foto: Lise-Meitner-Gymnasium Unterhaching)

Der Wahlkurs "Buntes LMGU" am Lise-Meitner-Gymnasium macht sich gegen sexuelle und rassistische Diskriminierung stark. Um ihren Mitschülern die Scheu zu nehmen, sich für die Rechte von Homosexuellen einzusetzen, haben sich die Gymnasiasten den Ex-Fußballer Thomas Hitzlsperger als Verstärkung nach Unterhaching geholt.

Von Thalia Bouchehrian, Unterhaching

Thomas Hitzlsperger ist es gewohnt, 90 Minuten am Ball zu bleiben. Doch vor mehr als 300 Schülerinnen und Schülern über seine Homosexualität reden? Es ist zwar kein Heimspiel für den ehemaligen Fußballnationalspieler, als er sich den neugierigen Fragen von Acht- und Neuntklässlern am Lise-Meitner-Gymnasiums in Unterhaching stellt, doch der 42-Jährige, der sich als erster deutscher Profifußballer öffentlich geoutet hat, ist auch auf diesem Feld passsicher und gibt den Jungen und Mädchen präzise Vorlagen: Seid tolerant, mutig und akzeptiert euch und andere wie sie sind.

In der prall gefüllten Aula spürt man eine entspannte Wohnzimmer-Atmosphäre: gedämpftes Licht, gemütliche Sofas und eine gelassene Stimmung herrschen an diesem Vormittag. Die Gymnasiasten beschäftigen viele Fragen: "Wie haben Sie gemerkt, dass Sie schwul sind?" Und: "Hat sich nach Ihrem Outing Ihr Verhältnis zur Familie verändert?" Auch der Umgang mit dem Wort "schwul" als Beleidigung, der Konflikt zwischen Homosexualität und Religion sowie Hitzlspergers frühere heterosexuelle Partnerschaft sind bei den Schülern Thema.

"Früher dachte ich immer, Fußball und schwul sein, das passt nicht zusammen", sagt der in Forstinning im Landkreis Ebersberg aufgewachsene einstige Bayern- und Stuttgart-Spieler, der auch beim Premier-League-Klub Aston Villa erfolgreich war. Heute wisse er, dass das nicht stimmt. "Die Gesellschaft ist viel toleranter, als ich immer dachte."

Eine tolerantere Schule - dafür setzten sich auch die Jugendlichen des Wahlkurses "Buntes LMGU" ein. Gemeinsam mit ihrer Lehrerin Christine Waltner haben sie die Veranstaltung mit Hitzlsperger organisiert. "Mit unserem Wahlkurs machen wir uns dafür stark, dass an unserer Schule weder gewollt noch ungewollt diskriminiert wird", erklärt eine Elftklässlerin . Der Wahlkurs bietet den Jugendlichen nicht nur Gelegenheit, sich aktiv an der Gestaltung der Schule zu beteiligen , sondern schafft auch einen Raum für offene Gespräche über persönliche Themen wie etwa die eigene Sexualität, Geschlechtsidentität oder Rassismuserfahrungen.

"Hier können die Schüler ihre Anliegen äußern, Gehör finden und sich gegenseitig unterstützen", sagt Christine Waltner, die Lehrerin. Das Angebot richte sich nicht nur an Jugendliche, die sich einer Gruppe mit erlebter Diskriminierung zugehörig fühlen, sondern an alle, die sich gerne mit Fragen der Vielfalt beschäftigen und für ein respektvolles Miteinander einstehen möchten. Deshalb will der Wahlkurs auch nicht den Stempel LGBTQ verpasst bekommen.

"Ich glaube, ich hätte mir so was in meiner eigenen Jugend gewünscht", sagt die Lehrerin, die den Kurs leitet. "Mir ist es sehr wichtig, dass sich hier an der Schule jeder willkommen fühlt - und zwar egal, mit welcher Sexualität oder mit welcher Muttersprache. Gerade die Schüler, die sich oft nicht trauen, laut oder sichtbar zu sein, möchte ich stärken."

Ein erster Erfolg des Wahlkurses war die Einführung einer Toilette für alle

Der Wahlkurs sorgte zuletzt mit seinem Projekt einer "Toilette für alle" für Aufmerksamkeit und Kontroverse an der Schule. Nachdem besorgte Eltern und Schüler Bedenken gegen eine inklusive Toilette geäußert hatten, gelang es dem Kurs schließlich, die Idee nach einigen klärenden Gesprächen umzusetzen. "Das war ein großer Erfolg für unseren Kurs und ein bedeutendes Symbol für Vielfalt an unserer Schule", sagt Waltner. Ohne das Engagement und die Unterstützung der Schulleitung wäre die Realisierung aber nicht möglich gewesen.

Trotz des toleranten Klimas am Gymnasium haben auch Mitglieder des Wahlkurses Vorurteile und Intoleranz erlebt, wie zwei von ihnen berichten. "Wir sind Teil der LGBTQ+-Community und waren von Diskriminierung daher schon häufiger betroffen. Leider sind gerade diejenigen, die Vorurteile hegen, oft am lautesten. Deshalb sind laute Gegenstimmen umso wichtiger", sagt etwa eine 16-jährige Schülerin. Genau aus diesem Grund wolle man als Wahlkurs sichtbarer werden. Doch das sei nicht immer leicht: "Manche haben Angst davor, bei uns mitzumachen, weil sie nicht wollen, dass jemand etwas davon mitbekommt", bestätigt eine Neuntklässlerin.

Großes Interesse: Mehr als 300 Schülerinnen und Schüler verfolgen den Auftritt von Thomas Hitzlsperger in der Aula des Gymnasiums. (Foto: Lise-Meitner-Gymnasium Unterhaching)

Die Veranstaltung mit dem 52-fachen Fußball-Nationalspieler ist für sie daher ein großer Schritt hin zu mehr Sichtbarkeit. "Es war großartig, wie ausführlich und selbstverständlich Herr Hitzlsperger über sein Coming-out gesprochen hat", sagt eine weitere Schülerin. "Ich denke, dass das vielen Schülern dabei helfen wird, einen natürlichen Umgang mit Themen wie Homosexualität zu entwickeln." Dennoch stehe man erst ganz am Anfang. Für die Zukunft wünschen sich die Unterhachinger Gymnasiasten, dass noch mehr Mitschüler für ein respektvolles Miteinander und ein offenes Schulklima eintreten.

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