Landtagswahl:Analoger Spam

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So ordentlich wie hier in Höhenkirchen sind die Wahlplakate nicht überall aufgeräumt. (Foto: Angelika Bardehle)

Auch in Zeiten von Social Media setzen Parteien im Wahlkampf immer noch auf Plakate. Wo, wie und wie viele davon geklebt werden dürfen, ist von Kommune zu Kommune unterschiedlich und immer wieder Anlass für Ärger.

Von Bernhard Lohr, Landkreis

In Ottendichl meinten sie, ihren Augen nicht trauen zu können. Von einem Tag auf den anderen war ihr Ort zugepflastert. Anhänger der Splitterpartei der Liberal-Konservativen-Reformer (LKR) hatten zig Plakate am Rand der B 471 angebracht, auf denen sie mit ihren aggressiven, eurokritischen Thesen werben. Manche im Dorf sind davon ziemlich genervt. Doch während etwa in Höhenkirchen-Siegertsbrunn Bauhofmitarbeiter Plakate auch mal abhängen, sieht man in Haar keine Handhabe. Je nachdem, wie scharf die in den meisten Kommunen existierende Plakatierungsverordnung gefasst ist, lässt sich die Plakatflut steuern oder nicht.

Im Wahlkampf geht es um Aufmerksamkeit. Wer Plakate an einer stark befahrenen Straße platziert, macht demnach alles richtig. Doch es gibt Grenzen. Die Verkehrssicherheit darf grundsätzlich nicht beeinträchtigt werden. Und die Gemeinde Haar hat in ihrer insgesamt liberalen Verordnung ausdrücklich den wohl attraktivsten Ort im Gemeindegebiet für Wahlwerbung blockiert: An der Fußgängerbrücke über die B 304, auf der täglich 30 000 Fahrzeuge gezählt werden, dürfen keine Plakate angebracht werden. Außerdem schreibt man vor, dass erst vier Wochen vor einer Landtagswahl plakatiert werden darf und eine Woche nach der Wahl die Plakate entfernt sein müssen. Plakate am Straßenrand sind in Haar aber nicht ausdrücklich verboten.

AfD-Plakate stapeln sich im Bauhof

Das ist in Höhenkirchen-Siegertsbrunn anders, wo die in ihrer Urfassung aus dem Jahr 1990 stammende Verordnung vorschreibt, dass die Parteien nur auf den von der Gemeinde aufgestellten großflächigen Plakatständern werben. Deshalb stapeln sich mittlerweile laut Bürgermeisterin Ursula Mayer (CSU) Plakate der AfD im Bauhof, weil die Wahlkämpfer der Rechtspartei die Vorschrift ignorierten. Genau genommen müssten diese sich jetzt auf ein Ordnungsgeld von 1000 Euro je Verstoß einstellen. Doch die Geschäftsleiterin im Höhenkirchner Rathaus, Ruth Sander, gibt sich moderat. Die Behörden seien grundsätzlich bei Wahlen dazu angehalten, die Plakatierungs-Vorschriften nicht zu kleinlich auszulegen.

Den Hintergrund bildet das im Grundgesetz verankerte Recht der Parteien, zur Meinungsbildung beizutragen. Unnötiger Streit soll vermieden werden. Und es muss den Parteien laut Sander eben ausreichend Platz zur Verfügung gestellt werden, sich und ihre Positionen darzustellen. Deshalb ist auch der Leiter des Ordnungsamts in Haar, Heribert Grabler, nicht unglücklich über die Regelung in seiner Gemeinde. Ein Streit um Plakatierung könne schnell auch vor Gericht landen, sagt er. Mit der LKR, die Ottendichl zugepflastert hat, hat die Gemeinde auch jemanden am Ort, der den Konflikt nicht scheut. Die frühere AfD-Ortsvorsitzende Ulrike Schütt aus Haar ist heute in der eurokritischen LKR aktiv und beklagt, dass die Plakatierungsvorschriften kleine Parteien benachteiligten und "verfassungswidrig" seien. "Deshalb plakatieren wir viel, da wo wir es dürfen."

Für die Plakatierungen sind in der Regel die Anhänger am Ort zuständig. Christian Fürst, CSU-Vorsitzender in Schäftlarn, ist derzeit voll im Wahlkampfmodus. Er sagt, gerade in einem kleinen Ort reguliere sich vieles im direkten Gespräch. Stefan Krimmer ist als CSU-Vorsitzender in Unterschleißheim ganz zufrieden mit der liberalen Verordnung in seiner Stadt, die wie in Haar einzelne Plakatständer erlaubt. Die Zahl der Plakate werde durch die "Ressourcen" der Parteien begrenzt, wie er sagt. Es herrsche ein "relativ gutes Miteinander der im Stadtrat vertretenen Parteien". Wenn ein Plakat einer konkurrierenden Partei an einer ungünstigen Stelle hänge, dann spreche man denjenigen an.

Manchmal fehlen klare Regeln, manchmal werden sie auch von den Parteien missachtet: Plakatverhau in Deisenhofen. (Foto: Angelika Bardehle)

Haar will Verordnung verschärfen

Das Bild vom einträchtig ausgetragenen Kampf um die Aufmerksamkeit der Wähler kriegt aber Risse, sobald es um die AfD geht. Christina Specht, die Kreisvorsitzende der Partei, sagt, gerade in Unterschleißheim seien viele Plakate abgerissen und zerstört worden. 400 Plakate habe man dort aufgehängt, 30 gebe es nur noch. Und das trotz liberaler Plakatierungsverordnung. Abgesehen davon wird es schwierig, sobald Parteien plakatieren, die in den Orten nicht organisiert sind. Immer wieder wird erzählt von Plakatierungskolonnen, die gezielt an stark befahrenen Straßen Wahlwerbung anbringen. Was im Haarer Ortsteil Ottendichl die LKR, das ist in Oberhaching an der Münchner Straße die Bayernpartei und in Unterhaching, Taufkirchen sowie Höhenkirchen-Siegertsbrunn die AfD, die auch damit Anstoß erregt, dass sie Plakate hoch an Masten anbringt.

AfD-Kreisvorsitzende Specht sagt, ihre Partei agiere mit relativ wenigen Ehrenamtlichen, die gezielt in den Abendstunden plakatierten, auch weil mancher AfD-Anhänger Angst vor Pöbeleien habe. Alle seien aufgefordert, sich an die örtlichen Bestimmungen zu halten. Verstöße seien "kein böser Wille".

Stefan Krimmer wirbt jedenfalls für Nachsicht auf Behördenseite und befürwortet, dass vor Jahren in Unterschleißheim ein Vorstoß scheiterte, die bestehende Verordnung zu verschärfen. In Haar zeichnet sich derweil eine Verschärfung der Verordnung ab. Thomas Fäth (SPD) schlug jüngst vor, eine Höchstzahl an Plakaten festzulegen, wie es in Putzbrunn geregelt sei. Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) will das prüfen lassen.

Gemeinderätin Manuela Fürnrieder (SPD) aus Ottendichl würde jedenfalls begrüßen, wenn die Gemeinde aktiv werden könnte. Fürnrieder stört außer der Menge nicht zuletzt der aggressive Ton, den eine Partei wie die LKR auf ihren Plakaten anschlägt. "Der Respekt sollte doch noch gewahrt sein", sagt sie.

© SZ vom 09.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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