Weihnachten:Christkindls Wunderland

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Peter Stilling hat in Aschheim über Jahrzehnte eine Krippe aufgebaut, in der die weltumspannende Bedeutung der Geburt Jesu zum Ausdruck kommt. Vieles aus der Miniaturwelt stammt aus fernen Ländern - aber auch Lokalkolorit ist zu sehen.

Von Sabine Wejsada, Aschheim

Sogar der Taubenkobel vom Stockerwirt in Landsham hat ein Plätzchen gefunden. Er steht rechts neben dem Stall, in dem das Christuskind am 24. Dezember das Licht der Welt erblickt. Wie die Geburt Jesu in Bethlehem und das Vogelhaus im Osten von München zusammen passen? Dafür hat Peter Stilling aus Aschheim eine ganz einfache Erklärung: In seiner selbst entworfenen und gebauten Krippe, die an ein alpenländisches bäuerliches Anwesen erinnert, verbinden sich eben Heimat und Ferne. Da ist Raum für das Kleine im Großen, für das Lokale im Globalen. Und vor allem für das weltumspannende freudige Erinnern an das Weihnachtswunder vor 2020 Jahren.

Stilling, 75, und seine Frau Anneliese sind seit mittlerweile 40 Jahren die stolzen Besitzer dieser imposanten Krippe, die wohl ein bisschen vergleichbar ist mit dem Drumherum einer Modelleisenbahn. Nur halt im weihnachtlichen Sinne. Im Laufe der Zeit ist sie auf eine Breite von gut fünf Metern gewachsen und füllt die lange Fensterbank im Wohnzimmer der Familie. Circa 190 Figuren tummeln sich in dem Wunderwerk. Kleine Lampen, die Stilling versteckt angebracht hat, tauchen die Landschaft und den Stall mit dem Jesuskind in dezentes Licht.

"Schon zu meiner Ministrantenzeit war ich großer Krippenfan."

Gerade wenn dem Tag die Luft ausgeht und die Dämmerung einsetzt, dann verströmt die große Krippe ihren Zauber. Peter Stilling, selbst Architekt und findiger Handwerker, hat diesen bereits als Kind gespürt. "Schon zu meiner Ministrantenzeit war ich ein großer Krippenfan", sagt er an diesem trüben Nachmittag. Als Toni Petterer und dessen Mutter damals im Advent die Krippe in der Kirche herrichteten, habe er diese Faszination für die figürliche Darstellung von der Geburt Jesu empfunden, erinnert sich Stilling. "Da wusste ich, dass ich auch einmal eine solche Krippe besitzen möchte."

So nimmt er sich vor, eine eigene zu bauen, wenn er heiratet. Gesagt, getan. Nach der Hochzeit macht sich der Frischvermählte daran, seinen Wunsch in die Tat umzusetzen. Nach den Motiven einer Krippe, die das Ehepaar in Südtirol entdeckt, und wo es auch gleich noch die passenden Holzfiguren zu kaufen gibt für das Innenleben.

Das ist jetzt 51 Jahre her, die erste eigene Krippe haben die Stillings ihrem Sohn Bernhard geschenkt. Nur die Schafe, den Ochs und den Esel, geschnitzt von einem Mesner auf der Südtiroler Seiser Alm, haben die Eltern behalten. Sie stehen noch heute im Stall bei der heiligen Familie auf der Aschheimer Fensterbank.

Mittelpunkt der vor vier Jahrzehnten neu inszenierten Krippe der Stillings ist der in Heimarbeit gemauerte Stall. Die Inspiration dazu stammt von 1980. Bei einem November-Spaziergang mit seiner Frau durch Bad Hofgastein fällt der Blick von Peter Stilling in ein Schaufenster, wo eine alpenländische Krippe ausgestellt ist. Er zeichnet sie ab und baut sie daheim in Aschheim nach.

"Das ist der Beginn meiner Leidenschaft", sagt der 75-Jährige und weist auf eine besondere Wurzel hin. Sie stammt aus Elba und dient nun als verdörrter Baum im Krippen-Wunderland im Wohnzimmer. Die Stillings haben bei all ihren Reisen ins Ausland und bei Wanderungen im Gebirge immer etwas gefunden, was zur Familien-Krippe passen könnte. Steine von den Azoren, ein kleiner Ast aus Sardinien oder ein Stückchen Moos von einem Berg in den Alpen. Besagte Wurzel stammt von einem Vulkankrater der griechischen Insel Nisyros in der südlichen Ägäis. Wohin auch immer die Stillings ihr touristischer Weg führt, irgendetwas für das Kripperl fällt ihnen vor die Füße und wird aufgehoben. Natürlich soll es maßstabgetreu sein, "alles muss zusammenpassen", so Stilling.

Nur einmal müssen die beiden mit leeren Händen zurückkehren. Beim Wandern auf dem Teide auf der Kanaren-Insel Teneriffa vereiteln zwei Ranger Stillings Sammelfreude. Einen ganz besonderen Stein und eine ebensolches Wurzel, die so wunderbar in die Landschaft der heimischen Krippe gepasst hätten, muss Stilling den gestrengen Mitarbeitern des Nationalparks aushändigen. "Zum Glück musste ich keine Strafe zahlen", sagt der Aschheimer und berichtet lachend davon, dass er den beiden Teide-Wärtern erzählt hat, wofür die zwei Naturalien gedacht gewesen wären: eben für das christliche Schmuckstück zu Hause. "Da ist er glimpflich davongekommen", ergänzt Anneliese Stilling.

Hinter dem Geburtsstall steht eine kleine Schlachterei

Dass die Krippe kein Mitbringsel vom höchsten Berg Spaniens ziert, ist zu verschmerzen. Wer vor der auf mittlerweile acht Einzelteilen angewachsenen Landschaft steht, weiß gar nicht so genau, wo er zuerst hinschauen soll. Es gibt Bachläufe, einen Brunnen, hinter dem Geburtsstall ist eine kleine Schlachterei, auf den Bäumen sitzen Vögel, in den Wiesen stehen Schafe, an der Regenrinne hängen Eiszapfen. Detailverliebt könnte man Peter Stilling nennen, alles muss zu allem passen.

Deshalb sind die 190 Figuren aus Holz. Wobei das nicht ganz stimmt, wie der Aschheimer einräumt: Eine davon ist aus Kunststoff. Den kleinen Schleich-Fuchs hat Enkel Maxi vor ein paar Jahren platzieren dürfen, nachdem seine vier Dinosaurier vom Opa abgelehnt worden waren.

Stillings Kinder und deren Nachwuchs helfen seit jeher mit, die große Krippe aufzubauen, Ehefrau Anneliese sowieso. Der 1. Dezember ist traditionell Aufstelltermin. Da werden die Einzelteile und all die Figuren vom Speicher geholt. Dargestellt werden die verschiedenen Krippenszenen von Mariä Empfängnis über den Weg nach Bethlehem, die Herbergssuche und die Geburt Jesu bis zu Heiligdreikönig und der Flucht nach Ägypten. Wie in den Kirchen bleibt die Krippe der Stillings bis Mariä Lichtmess am 2. Februar stehen. Für Peter Stilling bedeutet das, je nach Stadium Figuren neu aufzustellen und andere herauszunehmen. Nur eine bleibt jetzt das zweite Jahr schon dauerhaft stehen: der geschnitzte Tscharlie, eine Hommage an den im Herbst 2019 verstorbenen Labrador.

Auch an ihn dürfte Stilling dann so manches Mal denken, wenn er jeden Abend vorm Zubettgehen vor der Familienkrippe steht, und an die vielen Reisen und vielleicht an die Zeit im Biergarten beim Stockerwirt mit dem Taubenhaus. Dieses Ritual habe er sich irgendwann angewöhnt, erzählt der 75-Jährige. Dass angesichts der Reisebeschränkungen im Corona-Jahr kein neues Fundstück als Zierde des Aschheimer Christkindl-Wunderlands dazugekommen ist, tragen Anneliese und Peter Stilling mit Fassung.

Dafür hat die Krippe heuer schließlich eine adventliche Beleuchtung erhalten. Licht tut einfach gut in solch unsicheren Zeiten wie diesen.

© SZ vom 24.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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