Freiwillige Feuerwehren:In ständiger Alarmbereitschaft

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Immer im Einsatz: die Freiwilligen Feuerwehren im Landkreis München. Seit einiger Zeit steigen auch die Alarmierungen bei medizinischen Notfällen. (Foto: Claus Schunk)

Die Feuerwehren im Landkreis rücken im Jahr zu 10 000 Einsätzen aus und sehen sich dabei immer neuen Herausforderungen gegenüber. Drohender Personalmangel soll nun mit der Aufweichung der Altersgrenzen bekämpft werden - und einem Imagewandel.

Von Ljubo Herceg, Landkreis

Sie ist immer zur Stelle, wenn sie gebraucht wird - die Feuerwehr. Damit das auch in Zukunft gewährleistet werden kann, muss erstens Nachwuchs her und müssen zweitens endlich alte und längst überholte Klischees des Feuerwehrmanns aus den Köpfen der Menschen raus. Darum hat der Bayerische Landtag wichtige Änderungen beim Bayerischen Feuerwehrgesetz beschlossen. "Wir stellen jetzt die Weichen dafür, dass unsere Feuerwehren auch in Zukunft noch regen Zulauf haben", sagt die Unterhachinger CSU-Landtagsabgeordnete Kerstin Schreyer.

Kinder sollen jetzt schon ab sechs - und nicht wie früher ab zwölf Jahren - die Möglichkeit erhalten, in Feuerwehren ausgebildet und spielerisch an die vielfältigen Aufgaben herangeführt zu werden. Zudem soll in den Feuerwehren auch auf die Erfahrung und den Wissensschatz der älteren Feuerwehrleute gebaut werden, die nach dem neuen Gesetz nun bis 65 freiwillig Dienst leisten können.

"Die Anhebung der Altersgrenze von 63 auf 65 Jahre ist gut für die Feuerwehren", begrüßt Kreisbrandrat Josef Vielhuber die Gesetzesänderungen. "Denn heutzutage sind die Menschen in diesem Alter gesünder, fitter und strotzen noch vor Tatendrang. Mit 63 Jahren gehört man längst nicht zum alten Eisen." Vielmehr könnten die jungen Leute und Kinder von der Erfahrung der Älteren nur profitieren und vieles lernen. Umgekehrt aber auch.

Darüber hinaus versuchen die Feuerwehren im Landkreis München die Bevölkerung mit diversen Kampagnen zu sensibilisieren und alte Klischees aufzubrechen. Denn das Bild des beleibten und Bier trinkenden Feuerwehrmanns ist mehr als veraltet. "Bei uns wird das Bier eher sauer, als dass es in Mengen getrunken wird", sagt Josef Vielhuber, der seit seinem 16. Lebensjahr der Oberhachinger Feuerwehr angehört.

Schon bei Kleinigkeiten wird die Feuerwehr gerufen

"Die Bürger sind zudem oft sehr hilflos und alarmieren schon bei Kleinigkeiten die Feuerwehr", moniert der 58-jährige Kreisbrandrat das Verhalten einiger Bürger. "Vieles wird als Selbstverständlichkeit angesehen. Und dabei wird nicht bedacht, dass der Feuerwehrmann bei jedem Notruf seine Arbeit verlassen muss, um zum Einsatzort zu eilen - und dass er ein ums andere Mal sein Leben aufs Spiel setzt." So wird schon bei einer versehentlich zugefallenen Tür oftmals sofort die Feuerwehr gerufen. Dabei darf diese Hilfeleistung laut Gesetz nur in Anspruch genommen werden, wenn im Wohnraum der Herd eingeschaltet ist, wenn sich Kleinkinder oder Personen, die einer Aufsicht oder der Pflege bedürfen, im Haushalt befinden. In anderen Fällen sollte ein Schlüsseldienst beauftragt werden. "Es kommt auch vor, dass Menschen die Feuerwehr alarmieren, wenn der Wasserhahn nicht mehr aufhört zu tropfen oder die Waschmaschine überläuft", erzählt Josef Vielhuber weiter. Dabei sollte doch jeder Bürger eigentlich wissen, wo im eigenen Haus oder in der eigenen Wohnung das Wasser abgestellt werden kann, um Schlimmeres zu vermeiden. Oder er sollte eben den Hausmeister rufen, anstatt die Feuerwehr zu alarmieren.

Die Feuerwehren der 29 Städte und Gemeinden rücken im Jahr zu etwa 10 000 Einsätzen aus. Und die Aufgaben werde gerade im Landkreis mit seinen stark befahrenen Autobahnen vielfältiger, da etwa die Zahl der Lkw-Unfälle rapide steigt. "Und wenn es brennt, dann aber gescheit", sagt Vielhuber. So wie im Frühjahr bei den zahlreichen Waldbränden, die ein unbekannter Feuerteufel im Münchner Osten vorsätzlich gelegt hat. "Dieses brisante Thema genießt besondere Aufmerksamkeit", sagt Josef Vielhuber. Deshalb fahndet die Polizei mit Hochdruck nach dem Täter, während die Feuerwehren weiterhin wachsam und in Alarmbereitschaft sind.

Tagesalarmsicherheit nennt sich das - und ist auch ein Problem. "Freiwillige werden zwar frühzeitig an die Feuerwehr gebunden und gut ausgebildet. Doch viele von denen arbeiten außerhalb der Gemeinde und stehen tagsüber nicht zur Verfügung. Deshalb ist es umso wichtiger, dass ortsansässige Firmen ihren Mitarbeitern erlauben, im Alarmfall den Arbeitsplatz zu verlassen", sagt Vielhuber. "Ein Lösungsvorschlag wäre, dass Gemeinden bei Neueinstellungen darauf achten, bevorzugt Feuerwehrleute einzustellen."

Ein weiteres Problem stellt der nicht überall vorhandene, bezahlbare Wohnraum dar. "Dieser erschwert es jungen Feuerwehr-Familien im gewohnten Umfeld wohnhaft zu bleiben", sagt Josef Vielhuber. Darum bieten einige Feuerwehren wie Haar, Feldkirchen oder Aschheim preiswerte Wohnungen im Feuerwehrhaus an. Doch der Bedarf ist noch lange nicht gedeckt und ein ständiges Thema zwischen Gemeinden und Feuerwehren. Folglich gewinnt die Nachwuchsfindung und -förderung der Jugendfeuerwehren immer mehr an Bedeutung - doch der Wettbewerb um die Jungen ist anspruchsvoll. "Wir stehen in großer Konkurrenz zu Fußball- und Turnvereinen und versuchen Kinder und Jugendliche daher frühzeitig an die Feuerwehr zu binden", sagt Vielhuber. "Doch wir wollen niemanden aus anderen Klubs abwerben, da wir ein gutes Verhältnis zueinander pflegen." Vielmehr soll die Feuerwehr attraktiver für jedermann gemacht und das veraltete Image abgelegt werden.

Höhenkirchen als Vorreiter

Insgesamt 40 verschiedene Ausbildungsmöglichkeiten und Einsätze von der Wasserrettung über den Katastrophenschutz bis zur technischen Hilfeleistung machen neben dem Brandschutz den Feuerwehrdienst so interessant und abwechslungsreich. Und während Kinderfeuerwehren im Norden Bayerns längst dazu gehören, gibt es in Oberbayern erst einige wenige. Vor zwei Jahren wurde in Höhenkirchen die erste im Landkreis gegründet - mit großem Erfolg. Nach der Gesetzesänderung sollen schnell weitere folgen.

Kinder, Jugendliche, Frauen, Migranten - jedermann ist in der Feuerwehr willkommen. "Zwar wird ein deutscher Feuerwehrmann wohl nie den Heldenstatus erreichen wie ein 'Fire Fighter' in den USA", muss Josef Vielhuber eingestehen. "Allerdings ist jedem Bürger, der einmal in Not war, bewusst, was die Feuerwehr wirklich leistet." Und dieses Bild muss stärker verbreitet werden und bei den Bürgern ankommen.

Die Feuerwehr stehe für Zusammenhalt, einen bunten Mix aus Jung und Alt, Tugenden und Traditionen und gehe mit gutem Beispiel voran, Mitmenschen zu helfen, sagt Vielhuber: "Denn wenn Menschen aus brennenden Häusern rausrennen, dann rennen Feuerwehrleute in das Haus hinein." Das sei keineswegs selbstverständlich.

© SZ vom 16.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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