Kunsthandwerkermarkt Ottobrunnn:Gut eingeseift ist halb gefilzt

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Inge Gramelsberger fertigt aus bunten Wollknäueln Hüte, Handtaschen und Handyhüllen. Ihre Arbeiten sind allesamt Unikate.

Von Sabine Wejsada, Ottobrunn

Die Arbeit hat etwas Sinnliches: Ganz langsam lässt Inge Gramelsberger ihre Finger über das bunte Knäuel gleiten. Fast zärtlich streicht sie es aus, als würde sie einen zerbrechlichen Menschen berühren. "Man muss die Wolle streicheln, nicht quälen", sagt die 68-Jährige und übergießt das gute Stück mit kochend heißem Wasser.

Blitzschnell verteilt sie aufgeschäumte Seife über dem Wollknäuel, das da vor ihr liegt. Und drückt es ganz leicht und langsam mit ihren Händen in Form. Angst, dass sie sich verbrennt, hat die Ottobrunnerin nicht. "Daran gewöhnt man sich", sagt Gramelsberger. Und wenn am Ende ein wunderbarer Hut aus Filz herauskommt, oder ein kleines Täschchen, in dem sich prima Smartphone und anderes verstauen lässt, ist die Hitze der Arbeit ohnehin vergessen.

Fast 500 Hüte hat Inge Gramelsberger gefilzt

Inge Gramelsberger filzt. Und dass man aus diesem in exakten Schritten gefertigten Material die tollsten Dinge herstellen kann, zeigt ihr Fundus: Hüte und Mützen türmen sich im Lager ihres Wohnhauses, Beutel, Stirnbänder und Schals, alle reich verziert, und jedes Stück ein Unikat.

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An die 500 Hüte hat die Mutter von vier Kindern in den vergangenen zehn Jahren entworfen und produziert. Eine Auswahl davon wird sie am Sonntag, 13. Dezember, beim Kunsthandwerkermarkt im Ottobrunner Wolf-Ferrari-Haus feilbieten. Zusammen mit Gisela Graßl, die ihrerseits liebevoll gestaltete Gestecke und Kränze fertigt, hat sie den Markt vor 27 Jahren ins Leben gerufen, zu Ostern und in der Weihnachtszeit wird er veranstaltet, diesmal mit hundert Verkaufsständen.

Zum Filzen ist Gramelsberger vor mittlerweile zehn Jahren eigentlich ganz zufällig gekommen, wie sie erzählt und währenddessen das gut massierte Werkstück, aus dem am Ende eine bunte und einzigartige Handytasche werden wird, ein bisschen fester hernimmt. Nach einer Schneiderlehre hat die Ottobrunnerin Grafik an der Fachhochschule in München studiert.

Als die Kinder noch klein waren und ihre blinde Mutter versorgt werden musste, richteten Gramelsberger und ihr Mann eine Töpferwerkstatt im Keller ihres Hauses ein. 30 Jahre lang hat sie Keramik hergestellt und diese auch auf Mittelaltermärkten verkauft. Weil dort die Standbesitzer stilecht auftreten müssen, hat Gramelsberger ihrem Mann eine entsprechende Mütze gemacht: aus Filz.

Die Kopfbedeckung kam gut an, viele wollten wissen, wo sie denn herstammte. Aus dem eigenen Atelier, das im Sommer draußen im Garten ist und im Winter in der gemütlich eingerichteten Küche. Die Idee, vom Töpfern auf das Filzen umzusteigen, war geboren. Gramelsberger hat einen Kursus besucht - und seitdem ihre Kunst verfeinert.

Das In-Position-Bringen ist die Kunst beim Filzen

Sind die Wollfäden erst einmal mit Hilfe des heißen Wassers und der Seife verdichtet, muss Bewegung ins Spiel kommen. Gramelsbergers Finger fliegen über das nasse Bündel. Da wird gedrückt und energisch gestrichen, die Seifenlauge läuft aus dem bunten Werkstück, dessen Größe sich durch die Bearbeitung fast halbiert hat. Die Farben der verschiedenen Wollfäden haben sich verbunden, verlaufen ineinander und lassen ein Muster erkennen. Das Gramelsberger natürlich schon am Anfang durch das Aufschichten der Wolle festgelegt hat.

Genau dieses In-Position-Bringen ist die Kunst beim Filzen: Als Basis dient Wolle, "so wie sie gewachsen ist am Schaf", sagt Gramelsberger. Danach werden die Büschel gewaschen und kardiert, dass heißt, in eine Richtung gekämmt, so als ob man einen Hund bürsten würde. Hält man die Wollknäuel gegen das Licht, lässt sich diese Richtung der Fäden gut erkennen. Und dann kommt's: Die einzelnen Lagen - Gramelsberger kauft die Wolle fertig bearbeitet und gefärbt - werden kreuzweise übereinander gelegt, vier Mal.

Dann kommt eine in Form geschnittene Folie darauf, eine abgerundete große für einen Hut oder eine rechteckige für Taschen, und darüber werden erneut vier Lagen positioniert. Dann verlangt der flauschige Wollhaufen nach kochendem Wasser, das die Kunsthandwerkerin langsam ausgießt - und die aufgeschäumte Seife tröpfelt auf den Haufen. Die Wolle filzt zusammen, verdichtet sich, sie schnorrt, wie Gramelsberger sagt. Der Stoff wird kleiner und härter, erinnert ein bisschen an den eingegangenen Lieblingswollpulli, der dummerweise zu heiß gewaschen wurde.

Mehr als vier Stunden Arbeit stecken in einem Hut

Besonders aufpassen müsse man bei den Kanten, sagt die Ottobrunnerin und zieht den unter der Folie liegenden Wollwuschel in Form und nach oben. Gleiches gilt für das Innere des künftigen Huts oder der Tasche. Gramelsbergers Finger arbeiten anfangs ganz vorsichtig und später mit Verve mit der Wolle.

Ist alles dicht und an den Seiten geschlossen, nimmt sie die Folie heraus - und dann geht es zur Sache. Jetzt wird das Stück in die gewünschte Form gezogen und "ganz fest gewuzelt", bis alles komplett dicht ist. Nun muss noch die Seife mit kaltem Wasser herausgewaschen werden. Und dann kommt das Unikat nach draußen auf eine Wäscheleine zum Trocknen.

Was ein Hut werden soll, wird später auf einen Holzkopf - Gramelsberger hat mehrere in verschiedenen Größen - gezogen und mit einem Dampfbügeleisen in die gewünschte Form gebracht. Am Ende werden noch Verzierungen, ebenfalls aus Filz, darauf genäht, zum Beispiel Lustiges wie ein Frosch für kleine Köpfe, Elegantes wie Rosenblätter oder Ranken für Frauenköpfe oder etwas Waidmännisches für den Mann.

Mehr als vier Stunden reine Arbeitszeit stecken in einem Hut von Inge Gramelsberger. Bis zu 40 Euro verlangt die Ottobrunnerin für ein solches Unikat. Gut angelegtes Geld für ein Kunstwerk, das idealerweise den Kopf ziert, die Charakterzüge des Trägers unterstreicht und obendrein warm hält.

Der Kunsthandwerkermarkt, bei dem auch Inge Gramelsberger ihre Hüte anbietet, findet am Sonntag, 13. Dezember, von 10 bis 17 Uhr im Wolf-Ferrari-Haus in Ottobrunn statt.

© SZ vom 12.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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