Kreispolitik:Beratungsrenitent

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Letzte Sitzung des Kreistages vor der Sommerpause. (Foto: Robert Haas)

Die AfD unterstellt Sozialarbeitern, Flüchtlinge absichtlich hilfsbedürftig zu halten. Die Caritas weist das empört zurück.

Von Stefan Galler, Landkreis

Für die Fortschreibung des Nahverkehrsplans sprach sich der Kreistag am Montagnachmittag einstimmig aus, auch die drei Kreisräte der AfD hoben bei der Abstimmung ihre Hände. Doch kurz danach ging es um die Zukunft der Asyl- und Flüchtlingsberatung und deren Bewilligung und Finanzierung. Und da nahmen die Rechtspopulisten jene Position ein, die man erwarten konnte.

AfD-Kreisvorsitzende Christina Specht fragte provokativ, ob nicht "ein Akt der höheren Gewalt auf uns" zukomme. Nämlich "Tausende, Hunderttausende, ja Millionen Flüchtlinge". Deshalb könne man doch jetzt gar keinen Betreuungsschlüssel festlegen. Zumal es viel sinnvoller sei, "die Eigenverantwortung der Migranten zu stärken", als zu hohe Erwartungen in die Wohlfahrtsverbände zu setzen: "Die Sozialarbeiter wollen doch ihre Jobs behalten, deshalb werden Hilfsbedürftige hilfsbedürftig gehalten", so Specht.

Ein Vorwurf, den man bei der Caritas nicht auf sich sitzen lässt. Astrid Herrmann, Fachdienstleiterin Integration, reagiert empört, als sie mit der Aussage konfrontiert wird: "Alle unsere Integrationshelfer agieren nach dem Grundprinzip Hilfe zur Selbsthilfe", sagt Herrmann, die einräumt, dass die Beratung nicht bei allen Asylsuchenden gleich schnell anschlägt: "Manchmal ist das eine langwierige Sache. Aber es hängt stets davon ab, wie schnell die Ratsuchenden Sprach- und Bildungserwerb vorantreiben."

Die AfD-Tonart jedenfalls hat man bis zur Kommunalwahl in den Kreisgremien so nicht gekannt. Dass mit der Entsendung von drei Vertretern dieser Partei in den Kreistag eine Verschärfung der Auseinandersetzungen einhergehen würde, war jedoch vorherzusehen gewesen, deshalb hatte Landrat Christoph Göbel (CSU) bei der Besetzung der Fachausschüsse im Mai einen Trick angewandt: Die Mandate wurden nach dem D'Hondt-Verfahren zugeteilt - und weil FDP und ÖDP zu einer Ausschussgemeinschaft zusammengefunden haben, verfügen sie über mehr Kreistagsmandate als die AfD. Die Folge: kein Ausschusssitz und noch nicht einmal Fraktionsstatus für die Rechtspopulisten, die sich in der konstituierenden Sitzung im Mai prompt bitterlich über die Ungleichbehandlung beschwerten. Das sei eine "Lex AfD", sagte Specht. "Wir sind keine Krawallmacher."

Dass sie jedoch auch nicht in den Kreistag eingezogen sind, um sich für den Friedensnobelpreis zu bewerben, stellten die Neulinge schon zum Auftakt unter Beweis. Sie stimmten bei zahlreichen Besetzungen von Ausschüssen und Beiräten stoisch dagegen, etwa weil diesen der Grüne Christoph Nadler angehören sollte, der die AfD im Wahlkampf als "undemokratisch" bezeichnet hatte. Noch ignorieren die anderen Kreistagsmitglieder die AfD-Vertreter weitgehend. Spechts Äußerungen in der aktuellen Sitzung am Montag wurden von vielen Räten lediglich mit einem Kopfschütteln quittiert, auch Ernst Weidenbusch (CSU), der die Sitzung in Vertretung von Landrat Göbel leitete, ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Der AfD-Forderung, man könne den Betreuungsschlüssel nicht bei 150 Flüchtlingen pro Betreuer belassen, sondern müsse hier flexibel sein, da alles andere vor dem Hintergrund der Corona-Krise wirtschaftlich "unverantwortlich" sei, konterte Weidenbusch gelassen: Die Flüchtlingspolitik des Landkreises habe sich in den letzten fünf Jahren nicht nur bewährt, sie sei "vorbildlich in ganz Bayern" gewesen, so Weidenbusch, deshalb gebe es auch "keinen Anlass, etwas zu ändern".

Und so wurde trotz der drei Gegenstimmen der AfD die Asyl- und Flüchtlingsberatung der freien Wohlfahrtsverbände weiterbewilligt. Es wird wohl nicht der letzte Misston in der laufenden Wahlperiode gewesen sein.

© SZ vom 22.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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