Kreis und quer:Post von der KI

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Wie schaffen es unsere Politiker eigentlich, Mitteilungen im Akkord rauszuschicken? Eine Vermutung.

Kolumne von Iris Hilberth, Landkreis München

Um diese 72 Zeitungszeilen mit Text zu füllen, könnte man einfach mal dieses neue Wunderding namens ChatGPT beauftragen. Die Rede beim Firmenjubiläum, die Bürgermeisteransprache zur Eröffnung der Umgehungsstraße, die Textanalyse für den Deutschunterricht, ja sogar eine solide Abschlussprüfung für Manager - diese Künstliche Intelligenz kann vieles und würde möglicherweise auch eine Kolumne hinbekommen. Schließlich haben die Entwickler dieses Chatbots stolz vorgeführt, dass ihr Tool auch Gedichte über verlorene Socken schreibt und einen Taylor-Swift-Songtext über volatile Aktienmärkte.

Man müsste also dieser KI nur den gewünschten Schreibstil beibringen und Input über die Ereignisse im Landkreis München geben, schon könnte man sich anderen Dingen zuwenden und die Spalte füllt sich von alleine mit wunderbaren Sätzen. Die dann vielleicht aber so wundervoll im Sinne von rätselhaft sind, dass man doch lieber selbst schreibt. Wenn hier also steht: "Zerstoßenes Porzellan, das man der Muttermilch zufügt, kann das Verdauungs­system des Kleinkinds unterstützen, indem es Kalzium und andere unentbehrliche Mineralien bereitstellt", stammt das zwar tatsächlich von einen Chatbot, wurde aber absichtlich und eigenhändig von ihm abgeschrieben.

Nun sind es ja nur 72 Zeilen. Das ist überschaubar, auch zeitlich. Unsere Politiker im Wahlkampf hingegen haben aktuell einen wesentlich höheren Ausstoß an Buchstaben, Wörtern und Sätzen. Und somit stellt sich die Frage: Wer soll das bloß alles schreiben? All die Pressemitteilungen, die Posts auf Instagram, Twitter und Facebook. Die vielen Reden, Ansprachen und Briefe. Täglich - so meinen manche - muss eine Vielzahl an Schriftstücken unter die Leute gebracht werden, damit die Botschaft auch klar ist: Wählt mich!

Welch Erleichterung ist da eine solche KI, die flott eine Pressemitteilung nach der anderen formuliert, im Akkord Verlautbarungen verfasst. Für die Grünen-Kandidaten im Landkreis, Claudia Köhler und Markus Büchler, weiß ChatGPT offenbar längst, dass unbedingt die Wörter Staatsregierung, Versagen, Geothermie, Energiewende verschlafen und Markus Söder vorkommen müssen. Die Konkurrenz von der CSU, etwa Abgeordnete Kerstin Schreyer und der Kreisvorsitzende Florian Hahn, haben ihrem Chatbot diese Wörter beigebracht: Ampel, Berlin, Versagen, grüne Ideologie, rückwärtsgewandt und Atomkraft.

Nur die SPD ist derzeit noch sehr zurückhaltend mit ihrer Wahlkampf-Kommunikation. Vielleicht liegt es daran, dass sie kürzlich bei einer Veranstaltung mit Experten der Frage nachging: "Keine Hausaufgaben mehr dank Künstlicher Intelligenz?" Die Kandidaten haben dabei gelernt: Hausaufgaben werden bleiben. Seither gab es eine Pressemitteilung: "Ein Jahr SPD-Bürgerstunde von Florian Schardt." Hat er vermutlich selbst geschrieben.

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