Konzert:Von wegen quäkend

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Exzellente Musiker: Jure Knez, Edoardo Zotti, Ricarda Fuss und Claus Hierluksch (v.l). (Foto: Claus Schunk)

Perfekter Groove, makellose Intonation, Klangzauber - die Mitglieder des "Arcis Saxophon Quartetts" zeigen in Grünwald, was mit ihren einst geschmähten Instrumenten möglich ist

Von Ulrich Möller-Arnsberg, Grünwald

Da spielen sie erst einmal, bevor sie die Geschichte ihres Instrumentes erzählen. Die vier Mitglieder des Arcis Saxophon Quartett betören von Anfang an bei ihrem Konzert im August-Everding-Saal. "New York Counterpoint" von dem amerikanischen Minimalkomponisten Steve Reich haben Claus Hierluksch, Ricarda Fuss, Edoardo Zotti und Jure Knez als Eröffnungsstück ihres Programms gewählt. Sie fabrizieren in diesem großstädtisch durchpulsten Tongeflecht dermaßen homogenen vierstimmigen Klang, dass man immer wieder schauen muss, wer was spielt. Am klarsten wird es, wenn Tenor- und Baritonsaxofon den Staccato-Teppich legen, Claus Hierluksch am Sopran die Melodie zieht und Ricarda Fuss die Off-Beats hineinmischt. Ein Sound, perfekt in Groove und Intonation, zum Niederknien. Von wegen "heulende und quäkende" Töne, wie Pariser Orchestermusiker es ausdrückten, als Gaetano Donizetti Mitte des 19. Jahrhunderts dieses neue Instrument von Adolphe Sax in der Klassik einführen wollte und damit seine Anstellung als Dirigent riskierte.

Nach dem ersten großen Zwischenapplaus in Grünwald, moderiert Ricarda Fuss anschaulich die Geschichte des Saxofons, das die Bühne der Musikgeschichte mehr als ein halbes Jahrhundert vor der Zeit erobert habe, bevor es von Jazzmusikern entdeckt wurde. Von dem Sound ist man natürlich geprägt, wenn man von 2018 aus gesehen auf dieses Quartett schaut, das sich als Ensemble in der Reihe "Klassik Plus" vorstellt. Dann im zweiten Stück der direkte Vergleich. Antonin Dvoraks amerikanisches Streichquartett op. 96 im Arrangement für vier Saxofone. Brillant und klar meistern die vier Musiker, die sich vor zehn Jahren als Absolventen der Münchner Musikhochschule in der Arcis-Straße zusammengefunden haben, dieses gern gehörte Meisterwerk. Aber sie müssen sich natürlich auch auf andere Effekte verlegen, als die Streicher. Das ist auch klar. Ein Tremolo, wie im zweiten Satz an einigen Stellen für die Streicher vorgesehen, geht mit Saxofonen nicht. Dafür können die Arcis-Musiker die von Dvořák komponierten Synkopen so jazzig stoßen, dass sich davon mancher Streicher eine Scheibe abschneiden könnte.

Mit dieser jazzigen Seite des Instrumentes geht es nach der Pause weiter. Sieben Sätze enthält das Arrangement zu Leonard Bernsteins "West Side Story". Nun lässt das Arcis Saxophon Quartett die erste, "klassische" Konzerthälfte fast vergessen. Die vier Musiker setzen effektvoll das "Fingerschnalzen" ein, mit dem sich die Gangs in Bernsteins Musical begegnen, dann das "Shouten" als Imponiergehabe. Beim Auditorium gibt es da kein Halten mehr. Fast nach jedem Satz wird geklatscht. Das ist verständlich, aber natürlich auch ein bisschen schade, denn der Spannungsbogen zieht sich ja über alle sieben Sätze. Danach ein dramaturgisch perfekter Kontrast, der nicht größer sein könnte: Das Arcis Saxophon Quartett spielt das renommierte "Adagio" des Amerikaners Samuel Barber. Ein meditativer Choralsound, den die vier Musiker feinsinnig nach innen gewandt hinzaubern. "American Dreams" ist ihr Grünwalder Programm überschrieben. Als Abschluss-Arrangement beeindrucken sie mit einer fünfteiligen Suite zu George Gershwins Oper "Porgy and Bess". Das "Summertime-Thema" hat hier hauptsächlich das Sopraninstrument. Man könnte sich das natürlich auch sehr gut als Alt-Solo vorstellen. Aber das ist Geschmackssache. Natürlich können solche exzellenten Musiker, die im Ausland (Italien, Russland) und Inland bei renommierten Wettbewerben erste Preise erzielt haben, nicht einfach so von der Bühne gehen. Machen sie auch nicht. Die Musiker legen die Blumen, die sie unter rauschendem Beifall bekommen haben, hinter sich auf den Boden und nehmen wieder Konzertposition ein. Schon im Falle von Gershwin haben sie auswendig gespielt, jetzt liefern sie ein Paradestück ebenfalls ohne Notenständer als Zugabe. "Patchwork", ein Werk des 1961 geborenen Franzosen Philippe Geiss. Sprechgesang wechselt hier mit quirlig dichtem, rhythmisch fesselnden Saxofonsatz. Ein Abend mit anspruchsvollem Programm, das jede Menge Tiefe hat und dabei so ungemein schwerelos wirkt.

© SZ vom 17.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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