Konzert:Spannungsvoll bis zum Ende

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Spielten nicht nur auf hohem Niveau, sondern mit großer Begeisterung: die Musiker aus München und St. Petersburg. (Foto: Angelika Bardehle)

Mit Schuberts "Der Tod und das Mädchen" in Mahlers Orchesterversion sowie Werken von Elgar und Piazzolla begeistern das Kammerorchester der Münchner Philharmoniker und das Mariinsky Stradivarius Ensemble in Grünwald

Von Udo Watter, Grünwald

Wer den Tod umarmt, der vergeht - vielleicht sogar vor Lust. Dass der Sehnsucht nach dem Untergang, der bedingungslosen Hingabe an das Unwiderrufliche eine gewisse Erotik eigen ist, dürfte unbestritten sein und drückt sich hübsch im französischen Ausdruck für Orgasmus aus: "la petite mort" - der kleine Tod. Das künstlerische Motiv "Der Tod und das Mädchen" kombiniert schauervolle und erotische Komponenten, den Schrecken vor und die Sehnsucht nach dem Exitus. "Gib deine Hand, du schön und zart Gebild! Bin Freund, und komme nicht, zu strafen: Sei gutes Muts! ich bin nicht wild, Sollst sanft in meinen Armen schlafen." Mit diesen Worten lockt der Knochenmann im Gedicht "Der Tod und das Mädchen" von Matthias Claudius eine junge Frau an. Franz Schubert hat das Gedicht zunächst als Lied vertont und später ein Streichquartett in d-Moll mit gleichem Beinamen komponiert.

Die von Gustav Mahler arrangierte Orchesterfassung dieses berühmten Streichquartetts - und besonders der zweite Satz, in dem das Thema und der langsam schreitende Rhythmus des Schubertschen Lieds wieder auftaucht - avancierte am Dienstagabend zu einem aufwühlenden Höhepunkt eines besonderen Konzertabends im August-Everding-Saal.

Zu Gast in der Reihe "Grünwalder Konzerte" war das Kammerorchester der Münchner Philharmoniker, unterstützt von Mitgliedern des Mariinsky Stradivarius Ensemble aus Sankt Petersburg, unter der Leitung von Lorenz Nasturica-Herschcowici gab. Der mit einer angemessenen Künstlermähne gesegnete Herschcowici, Konzertmeister der Münchner Philharmoniker, ist ja ein Charismatiker vor dem Herrn, der den August-Everding-Saal ob seiner Akustik besonders schätzt und hier immer wieder dementsprechend aufspielt. Wie er mit seinem 23-köpfigen Ensemble das Andante con molto, die Variationsreihe auf das Kunstlied, gestaltete, das hat man selten so dramaturgisch dicht, mit solch einer spannungsvollen Phrasierungsintelligenz gehört. Gerade die Steigerung von der zweiten zur dritten Variation, wo das Thema in ein Unisono Fortissimo mündet, dürfte keinen kalt gelassen haben. Dem ein oder anderem mag das vielleicht zu opulent geklungen haben, aber wenn klangliche Überwältigung so edel daherkommt und so elaboriert in allen Orchesterteilen dringlich gesteigert wird, dann ist es fast schade, nur ein Herz zu haben, dass in diesem Moment zum Zerreißen geneigt ist. Ein akustisches Selbstvergrößerungserlebnis, das so wohl nur ein Live-Konzert zu schaffen vermag. Freilich ist es fast unfair, den zweiten Satz so herauszuheben, der Vortrag des gesamten, fast permanent spannungsvoll drängenden Werkes, das immer wieder von Triolen und nervösen Sechzehntel-Läufen, Ostinati, aber auch trostvollen Passagen geprägt ist, gelingt an diesem Abend vorzüglich, besonders auch der so schroffe wie rasante Finalsatz.

Während bei Schubert/Mahler der Tod musikalisch gleichsam allgegenwärtig ist, war der Auftakt mit Edward Elgars Streicherserenade e-Moll eher von lyrischer Heiterkeit. Musikalisch deutlich raffinierter ist Elgars danach folgende Komposition "Introduktion und Allegro für Streichorchester". Die Darbietung teilt sich in Streichquartett und Tutti-Ensemble, was dann auch ab und an zu echoartigen Dialogen führt. Generell gelingt das vielgestaltige Werk mit seinen diversen thematischen Beziehungen und dynamischen Steigerungen gut. Hier zeigte sich schon was für den ganzen Abend gelten sollte: da waren nicht nur am Musiker am Werk, die auf höchstem Niveau agieren, sondern mit einer Begeisterung, die wohl nicht zuletzt der Strahlkraft ihres Leiters Herschcowici geschuldet ist. Mitreißender Abschluss und mit scharfer Finesse inszenierte Zugabe: Astor Piazzollas "Primavera porteña".

© SZ vom 11.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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