Kommentar:Sensible Daten in privater Hand

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Anstatt der Corona-Warn-App  ein notwendiges Update zu verpassen, unterstützen staatliche Stellen ausgerechnet Apps von Privatfirmen, die es mit dem Datenschutz nicht so genau nehmen.

Von Lars Brunckhorst

Als die Corona-Warn-App vorigen Sommer an den Start ging, galt die größte Sorge nicht der Vermeidung möglicher Ansteckungen, sondern dem Datenschutz. Deshalb haben die Gesundheitsbehörden bis heute keinerlei Zugriff auf die Handydaten, erfolgt ein Informationsaustausch, wenn überhaupt, nur anonym zwischen den Nutzern. Dafür wurde die deutsche App von Datenschützern und Hackern wie dem Chaos Computer Club geadelt. Nur: Weil der Datenschutz wichtiger genommen wurde als eine effektive Kontaktverfolgung Infizierter, ist die App der Bundesregierung bis heute ein zahnloser Tiger.

Kein Wunder also, dass sich allenthalben nach Alternativen umgesehen wird, wenn es darum geht, unter welchen Bedingungen und mit welchen Sicherheitsmaßnahmen sich Restaurants und Theater wieder öffnen lassen. Kurios ist, dass die Wahl dabei ausgerechnet auf Apps fällt, die es nach übereinstimmender Meinung von Experten mit dem Datenschutz alles andere als genau nehmen. Völlig bizarr aber ist, wenn staatliche Stellen diese Programme auch noch unterstützen. Ob es nun die Software "Darf ich rein" ist, auf die der Landkreis nach dem Vorbild Altöttings voreilig setzte, oder die Luca-App, für die sich nun der Freistaat entschieden hat - in beiden Fällen werden zwei jeder öffentlichen Kontrolle entzogenen Privatfirmen höchst sensible Aufgaben überlassen: das Erfassen, Sammeln und Abgleichen von Namen, Adressen, Testergebnissen und Aufenthaltsorten.

Statt hippen Entwicklungen nachzulaufen, die von semiprominenten Musikern aus Eigennutz beworben werden, sollte lieber der Corona-Warn-App, die immerhin schon 20 Millionen Menschen heruntergeladen haben, ein umfassendes Update verpasst werden. Dafür aber müsste die große Masse zu Luca und "Darf ich rein" nein sagen. Doch das wird nicht passieren. Die Sehnsucht nach einer Normalität mit Lokal- und Kino-Besuchen ist einfach zu groß.

© SZ vom 09.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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