Königsdorf/Pullach:Kängumat und Octobus

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Im Klimacamp entwickeln Schüler Ideen wie ein Freiluftkino, für das die Zuschauer den Strom selbst erzeugen

Von Arnold Zimprich, Königsdorf/Pullach

Beim Klimacamp in der Jugendsiedlung Hochland in Königsdorf haben 20 Sechst- und Siebtklässer aus dem Münchner Umland Ideen zum Klimaschutz erarbeitet. "Mir hat beim Klimacamp alles gefallen - ich kam gar nicht dazu, aufs Smartphone zu schauen", sagt zum Beispiel die 13-jährige Laura. Größer kann ein Lob im Digitalzeitalter wohl gar nicht ausfallen, und so erzählen sie und die elfjährige Carolina, beide Schülerinnen am Pater-Rupert-Mayer-Gymnasium in Pullach, gleich weiter von den Projekten und Workshops, die in den vier Tagen Klimacamp in der Jugendsiedlung Hochland stattgefunden haben.

Ob Upcycling und begehbarer ökologischer Fußabdruck am Montag, Klimaplanspiel am Dienstag und Workshops zur CO₂-Reduktion bei der Strom- und Wärmegewinnung, zu Ernährung sowie zur Bedeutung der Moore für den Klimaschutz im Zentrum für Umwelt und Kultur (ZUK) in Benediktbeuern am Mittwoch - die Programmpunkte waren eng gesetzt. "Das Klimaplanspiel war besonders spannend. Wir schlüpften in die Rolle eines Äthiopiers, einer Brasilianerin, einer Familie aus Bangladesch, einer Grönländerin und in die Rolle des US-Präsidenten Trump", berichtet Laura. Anschließend wurden die unterschiedlichen Standpunkte in einer Klimakonferenz erörtert.

Das Smartphone ist ein gutes Beispiel für den permanenten Energiehunger im digitalen Zeitalter. Seine Nutzung verbraucht sehr viel Strom. Der individuelle ökologische Fußabdruck - ein Maß dafür, wie viele Ressourcen man selbst verbraucht - war elementarer Bestandteil des Klimacamps, das zum sechsten Mal stattfand und zu dem die Umweltstation Königsdorf in Kooperation mit dem Naturerlebniszentrum Burg Schwaneck des Kreisjugendrings München-Land eingeladen hatte. Die Entwicklung "eigener Ideen für eine bessere Welt von morgen", wie Miriam Stiel (22) von der Umweltstation Königsdorf es nennt, war Ziel des Camps.

Die teilnehmenden Sechst- und Siebtklässler sind allesamt als Energiebeauftragte, Energiescouts oder in Umwelt-AGs an ihren Schulen tätig. "Zwar sind auch Schüler aus den Münchner Nachbarlandkreisen aufgerufen, am Camp teilzunehmen, heuer haben wir aber - bis auf einen einzigen Teilnehmer vom Viscardi-Gymnasium in Fürstenfeldbruck - ausschließlich Schülerinnen und Schüler aus Pullach und vom Ernst-Mach-Gymnasium in Haar hier in Königsdorf", sagt Stiel. Die Teilnahme am Camp wird den Kindern in der Schule angeboten, für die Dauer des Camps sind sie vom Unterricht freigestellt.

Simon geht in eine 7. Klasse am Pater-Rupert-Mayer-Gymnasium: "Mir hat das Energiefahrrad beim Workshop Strom im ZUK am besten gefallen. Damit haben wir Wasser nur per Muskelkraft bis auf 82 Grad erhitzt." Dass das zum Nudelkochen nicht ganz ausreicht, ficht Simon nicht an. "Es ist einfach toll zu sehen, was man per Muskelkraft bewirken kann." Was nimmt er vom Klimacamp mit nach Hause? "Ich mache seit sieben Jahren Taekwondo. Ab jetzt werde ich nur noch mit dem Rad ins Training fahren. Außerdem haben wir den CO₂-Ausstoß berechnet, der beim Betrieb eines Fernsehers entsteht" - ob das Auswirkungen auf den TV-Konsum des 13-jährigen Taufkirchners hat, bleibt offen.

Zum Abschluss des Camps präsentieren die Gymnasiasten in fünf Arbeitsgruppen ihre Ideen zum Klimaschutz - ob nun direkt an ihrer Schule oder im gesellschaftlichen Miteinander. "Mobile Bäume" sollen zur Verbesserung des Klimas beitragen und per Lastenfahrrad an ihre Pflanzorte gefahren werden; der "Kängumat" wandelt durch eine raffinierte Scan-, Sortier-, Reparier- und Etikettiertechnik alte Kleidung in neue um, für den "Octobus" wollen die Schüler ein komplettes Wohnmobil upcyclen und in einen Schulkiosk mit veganen, regionalen und saisonalen Produkten umwandeln; das "Albatros-Cinema" ist ein mit Fahrraddynamos betriebenes Freiluftkino, bei dem Cineasten für den Filmgenuss in die Pedale treten müssen und als letztes Projekt wird ein Recyclingsystem für kaputte Kleidung vorgestellt, bei dem das Flicken und Ausbessern vor der Neubeschaffung von Billigbekleidung aus China und Bangladesch steht. "Gut, günstig - Klimaschutz" lautet hier das Motto.

Seit diesem Jahr ist ein zusätzlicher Anreiz für die Schüler da, auch tatsächlich umsetzbare Ideen zu entwickeln. Realisierbare Klimaschutz-Konzepte werden aus dem Fördertopf für Umwelt und Nachhaltigkeit des Landkreises München mit bis zu 1000 Euro unterstützt.

Nach all dem Regen der vergangenen Woche wagen sich am letzten Tag des Camps zaghafte Sonnenstrahlen durch die Wolken. "Schlechtes Wetter hin oder her - die Mädchen und Buben haben tapfer durchgehalten", sagt Miriam Stiel. Ein bisschen mehr Sonne wäre beim siebten Klimacamp 2018 trotzdem nicht schlecht. Dann würden auch die selbstgebauten Solaröfen funktionieren.

© SZ vom 02.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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