Kindergartenplätze:Job kein Kriterium für Kinderbetreuung

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Wer bekommt die Kindergartenplätze? In Höhenkirchen-Siegertsbrunn hat man da ganz eigene Vorstellungen. (Foto: Catherina Hess)

In Höhenkirchen-Siegertsbrunn haben Hausfrauen künftig denselben Anspruch auf einen Kita-Platz wie Berufstätige.

Von Bernhard Lohr, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Berufstätigkeit ist künftig kein Kriterium bei der Vergabe von Kindergartenplätzen in Höhenkirchen-Siegertsbrunn. Das hat der Gemeinderat beschlossen und damit eine Kehrtwende um 180 Grad hingelegt. Denn noch im vorberatenden Hauptverwaltungsausschuss hatten die Gemeinderäte den vom Arbeitskreis Kind und Familie erarbeiteten Kriterienkatalog genau um diesen Punkt erweitert: Es sollte eben gewürdigt werden, dass viele Frauen auf einen Betreuungsplatz angewiesen sind, wenn sie wieder in den Beruf einsteigen wollen oder ihren Job behalten wollen. Doch am Ende setzten sich andere Argumente durch.

Der Kampf um einen Platz im Kindergarten wird in der Gemeinde besonders hart ausgefochten. Die Wartelisten sind lang. Mindestens drei Gruppen sind in drei Einrichtungen aktuell wegen fehlender Erzieher geschlossen. Nun sollten zumindest klare Kriterien aufgestellt werden, um die Vergabe transparent zu gestalten, wobei sich der Arbeitskreis Kind und Familie hervortat, in dem sich betroffene Eltern - und insbesondere Mütter - selbst direkt in die Debatte einbrachten, indem sie einen Kriterienkatalog erstellten.

Und die Berufstätigkeit wollten die dort auf keinen Fall aufgenommen sehen: AK-Sprecherin Brigitte Richter appellierte vor der Gemeinderatssitzung erneut dafür, darauf zu verzichten. Alle Kinder hätten ein Recht auf "frühzeitig bestmögliche Bildungserfahrungen und -chancen", sagte sie. Die ersten sechs Jahre seien die lernintensivesten Jahre und die mit der stärksten Entwicklung. Jedes Kind, auch das von Nicht-Berufstätigen, müsse gefördert werden.

Vorrang haben Kinder von Erziehern und Pflegekräften

Und die Gemeinderäte folgten dieser Linie. Sie einigten sich auf einen lediglich fünf Punkte umfassenden Katalog: Kinder von Erziehern und Pflegekräften sollen Vorrang haben, auch wenn die Eltern nicht am Ort wohnen. Damit will man gewährleisten, dass diese für die Gemeinde wichtigen Fachkräfte gebunden werden. Dann soll die Herkunft aus der Gemeinde zählen, als formaler Grund die rechtzeitige Anmeldung und das Alter der Kinder, wobei Alleinerziehende in der jeweiligen Altersgruppe Vorrang haben sollen. Und schließlich behält man sich vor, Härtefälle aufzunehmen. Ein Härtefallgremium soll darüber im Einzelnen entscheiden. Dem Gremium sollen die Bürgermeisterin, deren Stellvertreterinnen, Verwaltungskräfte und die Leiter der Kindertagesstätten angehören.

Die Dringlichkeit bei Berufstätigen wollte man nicht beurteilen

Über die Not der Berufstätigen wurde im Gemeinderat nicht diskutiert. Das Für und Wider hatten sie bei einem interfraktionellen Treffen vor der Sitzung abgewogen und sich auf die Arbeitskreis-Linie geeinigt. Mindy Konwitschny (SPD) erläuterte auf Nachfrage den auf den ersten Blick überraschenden Schritt damit, dass es eine zu große Härte für alle Kinder von Nicht-Berufstätigen bedeutet hätte. Diese wären faktisch vom Kindergartenbesuch ausgeschlossen worden. Das wäre nicht gerecht gewesen. Das Bayerische Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz sehe im Grunde ja ein Recht für alle Dreijährigen auf einen Platz vor. Das Kindeswohl stehe da im Mittelpunkt - und vom Kindeswohl her habe man auch gedacht. Auch habe man sich nicht zugetraut, die Dringlichkeit bei Berufstätigen zu beurteilen. So vieles spiele dort hinein, wie Einkommens- oder Wohnsituation. Wie wäre mit Auszubildenden umzugehen, wie mit Gutverdienenden? "Das zu beurteilen, ist extrem komplex." Man habe sich geeinigt, dringliche Fälle über die Härtefallregelung zu klären.

Den Verdacht, es könnten im Arbeitskreis Mütter, die zu Hause sind, zu ihren Gunsten agiert haben, weist Konwitschny zurück. Diese seien selbst berufstätig. Auch AK-Sprecherin Brigitte Richter habe einen Job. Strittig war am Ende im Gemeinderat eine Gebührenerhöhung um fünf Prozent jedes Jahr. Ulrich Bug (Unabhängige Bürger) sagte, Eltern sollten nicht noch weiter belastet werden. Die Erhöhung fand dennoch eine klare Mehrheit, ebenso wie eine Geschwisterermäßigung von 50 Prozent ab dem zweiten Kind, bei einer Deckelung für Kindergärten von 170 Euro pro Kind. Damit soll der pädagogischen Arbeit im Kindergarten Rechnung getragen werden. Bis zu einem Einkommen von 35 000 Euro sinkt die Kitagebühr um 37 Euro, bis 55 000 Euro um 30 Euro.

© SZ vom 17.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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