Kinderbetreuung:"Holen Sie Ihren Sohn ab!"

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Das Unternehmen, das 13 Einrichtungen im Raum München betreibt, will an der Saglerstraße schon bald wieder öffnen. (Foto: Angelika Bardehle)

Weil das Jugendamt bei einer unangemeldeten Kontrolle unqualifiziertes Personal antrifft, schließt die Behörde die Großtagespflege "Kani-Kids" in Höhenkirchen. Der private Träger gibt der Bürokratie Schuld am Personalmangel.

Von Mariella Kockler und Valérie Nowak, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Die Stimme am Telefon ließ keine Widerrede zu. "Holen Sie Ihren Sohn ab, die Einrichtung muss schließen, das Jugendamt ist da." Solche Anrufe haben am Dienstagvormittag alle Eltern erreicht, die ihre Kinder in der Großtagespflege "Kani-Kids" in Höhenkirchen-Siegertsbrunn betreuen lassen.

Der Grund: Bei einem unangemeldeten Besuch in der Einrichtung an der Saglerstraße stellten Mitarbeiter des Jugendamts fest, dass dort zwei Personen die Kinder betreuten, die der Behörde nicht bekannt waren und die zudem nach Angaben des Amts nicht über eine gültige Pflegeerlaubnis verfügten. Anlass für die Kontrolle war ein anonymer Hinweis gewesen.

"Kani-Kids" betreibt in der Stadt und im Raum München insgesamt 13 Einrichtungen. Auf ihrer Homepage im Internet wirbt die Firma mit einer "familiären Atmosphäre". In ihren Stätten könnten Kinder "Geborgenheit, Vertrauen und Sicherheit" erleben. In ihrem "Wertkonzept" fokussiert sich die Einrichtung unter anderem auf "Transparenz" und "Reden auf Augenhöhe".

Das lassen sich Eltern auch mehr Geld kosten als in kommunalen Einrichtungen: Zwischen 350 und 400 Euro pro Monat kostet Eltern die Betreuung in der privaten Tagesstätte. Zuletzt wurden in der Einrichtung in Höhenkirchen zehn Kinder von zwei Erzieherinnen betreut.

"Vor einigen Monaten ging das große Personalkarussell los", erzählt ein betroffener Vater. So habe er einmal sein Kind vorzeitig abholen müssen, weil dieses angeblich krank sei. Ein Arzt habe jedoch nichts feststellen können. Die Eltern forschten nach und erfuhren, dass auch andere Kinder "wegen Krankheit" nach Hause geschickt wurden.

"Im Nachhinein ist herausgekommen, dass nur eine Betreuerin da war", erzählt der Vater. Sie habe deshalb die Hälfte der Kinder heim geschickt. Danach sei immer wieder neues Personal vorgestellt worden. "Immer mit der Vorgabe: Das ist langfristig, das bleibt jetzt so."

Einmal fiel die Betreuung bereits zwei Wochen aus

Vor wenigen Wochen habe sich die Situation dann zugespitzt: Die Haupterzieherin sei nach einem Unfall ausgefallen. Zugleich sei einer neuen Erzieherin gekündigt worden. Daraufhin sei die Betreuung der zehn Kinder zwei Wochen lang komplett ausgefallen. Dabei steht im Betreuungsvertrag:

"Bei Ausfall der Tagespflegeperson durch Krankheit oder Urlaub ist die Betreuung durch eine gleichwertig qualifizierte Tagespflegeperson als Ersatzbetreuung gesichert." Bei einem Elternabend, so der Vater, seien die Eltern schließlich aufgefordert worden zu unterschreiben, dass ihr Kind offiziell nur 15 Stunden in der Einrichtung verbringt, damit man auf Tagesmütter zurückgreifen könne.

Die Geschäftsleitung der "Kani-Kids" bestätigt das: "Wir machen alles, damit die Kinder gut betreut sind. Wenn das mal kreative Lösungen sind, dann kämpfen wir dafür." Ansonsten hält man dagegen: Man habe kurzfristig pädagogische Fachkräfte als Aushilfen eingesetzt, damit die Kinder überhaupt hätten weiter betreut werden können, sagt die Leiterin am Dienstag zur SZ.

Allerdings fehlt diesen offensichtlich die entscheidende Erlaubnis des Jugendamts. "Wir als Träger haben keinen Personalmangel, wir haben hohen Zulauf, nur die Bürokratie spielt uns nicht in die Karten", so die Leitung. Höhenkirchen als Arbeitsplatz sei allerdings auch nicht so beliebt wie München selbst. Zu der versprochenen Ersatzbetreuung heißt es, damit zeige man sich lediglich "kulant". "Das könnten wir auch komplett streichen, das müssten wir nicht anbieten."

Bürgermeisterin Ursula Mayer (CSU) zeigt sich am Dienstag von der Schließung der Tagespflegestätte wenig überrascht: Sie habe mitbekommen, dass es in den vergangenen Monaten eine "Personaldurststrecke" gegeben habe und die Einrichtung deshalb zwischenzeitlich für zwei Wochen geschlossen geblieben sei.

Den betroffenen Familien kann die Gemeinde mit einer vorübergehenden Betreuung kurzfristig nicht weiterhelfen: "Es ist überall dasselbe Problem. Es gibt einfach keine Erzieher", sagt Mayer. "Kani-Kids" befinde sich zudem in privater Trägerschaft. Damit sei die Gemeinde nicht zuständig: "Wir als Gemeinde mischen uns da gar nicht ein", so die Bürgermeisterin.

"Kani-Kids" kündigt am Dienstag zunächst an, eine dritte Stelle in Höhenkirchen besetzen zu wollen. Über neue Entwicklungen werde man umgehend informieren. "Wir stehen mit den Eltern direkt im Kontakt."

Die Eltern berichten dagegen, sie hätten den ganzen Tag versucht, die Einrichtungsleitung zu erreichen - per E-Mail und auch telefonisch. Erfolglos. Wann "Kani-Kids" wieder öffnet, wissen sie nicht. Am Nachmittag behauptete die Geschäftsleitung dann, die Schließung sei bereits wieder hinfällig: In den kommenden Tagen könnten die Kinder wieder wie gewohnt betreut werden.

Das Jugendamt hingegen hält auch am Dienstagnachmittag an der "vorübergehenden Schließung" fest. Die beiden dem Jugendamt unbekannten Kräfte, die bei "Kani-Kids" gearbeitet hätten, bekämen keine Pflegeerlaubnis, heißt es aus der Behörde. Ihnen fehle eine mehrmonatige Qualifizierungsmaßnahme, die speziell für die Großtagespflege nötig sei.

© SZ vom 20.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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