Kabarett:Höherer Unsinn

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Vertreter des Nihilisimus im Sinne Poiers ist auch der Nichtschwimmer. (Foto: Claus Schunk)

Alf Poier gibt sich in Taufkirchen als Kasperl und Dadasoph

Von Udo Watter, Taufkirchen

Wann weiß der Künstler, der ein abstraktes Bild malt, eigentlich, dass es fertig ist? Könnte man nicht hier noch einen Farbklecks hinzufügen, oder da noch ein geometrisches Symbol? Nun, ein abstraktes Bild ist fertig, wenn die Maus tot ist - so sieht es Alf Poier. Der österreichische Kabarettist und Liedermacher, der auch als bildender Künstler erfolgreich ist, erklärt den Zusammenhang mit bestechender Logik: Als Jugendlicher sollte er einmal auf Bitte der Mutter hin eine von der Familienkatze gequälte Spitzmaus töten, damit die von ihren Leiden erlöst werde. Ein schwieriges Unterfangen, es bedurfte mehrerer heftiger Hiebe, begleitet von zunehmender Panik des jungen Poier. Als das Tier endlich Ruhe gab, war der Moment der Erkenntnis da: es ist vollbracht. So in etwa liefe es bei einem abstrakten Bild auch.

Alf Poier, geboren und aufgewachsen in der Steiermark, gastierte am Samstag im Kulturzentrum Taufkirchen - nachdem er freitags im Münchner Lustspielhaus aufgetreten war - und im zweiten Teil seines Programms "The Making of Dada" präsentierte der 51-Jährige per Beamer Exponate seines gestalterischen Œuvres: Fotogramme, Bilder, Objekte. Stilistisch lässt sich der selbst ernannte Dadasoph nicht festlegen: Abstrakt, surrealistisch, impressionistisch - aber eines eint alle, mitunter derbe und durchaus schamlose Arbeiten: sie sollen lustig und provokant sein, zum Lachen und Reflektieren anregen. Denn: "Nach dem Irrsinn kommt das Nichts und die Kontemplation." Da gibt es dann einen Vulkanausbruch in Monets Gartenteich zu sehen, ein Zebra, das an einem Regenschirm zwischen Spiegeleiern herabsegelt, die wörtliche Visualisierung des Märchens "Aschenpudel", das Werk "Begradigter Buckelwal mit Fußgängerübergang " oder die von "metaphysischer Obdachlosigkeit" (Poier) inspirierte Gestaltung des Objekts "Arschgeige" - auch das wörtlich-plastisch umgesetzt. Poier ist ein eigenwilliger Kopf, der keine Scheu vor albernen Wortspielen hat, der sich ins Groteske flüchtet, eine melancholisch-nihilistische Rampensau mit Spaß am höheren Unsinn. Schön, wie er den von ihm immer wieder gezeichneten "Lautsprecher des Nichts" mit verhuschten, steirisch timbrierten Lautmalereien imitiert. Dass der verborgenen Sinn des Lebens in "versalzenen Spiegeleiern" liegt deutet er an und sinniert: "Alles vergeht, nur die Vergänglichkeit bleibt."

Poier, der 2003 für Österreich den sechsten Platz beim Eurovision-Contest, mit dem leicht peinlichem Song "Weil der Mensch zählt" holte, bietet an diesem Abend alles andere als ein klassisches Kabarettprogramm: Im ersten, schwächeren Teil der Vorstellung liest er aus seinen Tagebüchern und zeichnet seinen Weg vom "steirischen Schwammerlsucher und Tanzmusiker bis hin zum nihilistischen Dadasophen und geistigen Queraussteiger" nach. Poier, der mit diesem Programm nach langer krankheitsbedingter Pause auch sein 20-Jähriges auf der Bühne nachfeiert, entblößt sich gern und mit Lust an der eigenen, ambitionierten Merkwürdigkeit. Es ist zudem eine Melange aus Selbstironie und Narzissmus, mit dem er das Publikum an seinem Leben und Denken teilhaben lässt. Zum Abschluss singt er: "I woa a Leben lang a Kasperl."

© SZ vom 10.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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