Jüdisches Leben:"Ich kannte die ganzen Traditionen nicht"

Lesezeit: 2 min

Terry Swartzberg erklärt die jüdischen Traditionen nicht nur, er animiert die Schülerinnen und Schüler auch zum Mitmachen. (Foto: Robert Haas)

Ismaninger Schülerinnen und Schüler organisieren gemeinsam mit Terry Swartzberg vom Verein Jews Engaged With Society eine interkulturelle Schabbatfeier - und erfahren, wie fröhlich es dabei zugeht.

Von Thalia Bouchehrian, Ismaning

Hummus, Falafel, Baba Ganoush? Das gibt es nicht alle Tage am Gymnasium Ismaning. Im Rahmen eines interkulturellen Begegnungsabends haben Schülerinnen und Schüler der elften Klasse am Freitag gemeinsam den Beginn des jüdischen Ruhetags Schabbat gefeiert. Dabei konnten die Gymnasiasten nicht nur die kulinarischen Genüsse der orientalischen Küche kennenlernen, sondern auch einen Einblick in die Bräuche und Traditionen des Judentums erhalten. Was feiern Jüdinnen und Juden eigentlich jeden Freitagabend? Wofür stehen die Kerzen, das Brot und der Wein? All diese Fragen versuchten Geschichtslehrerin Elisabeth Nowak und der Initiator des Projekts, Terry Swartzberg, an diesem Abend zu beantworten.

Statt der üblich ruhigen Lernatmosphäre herrscht in dem geschmückten Raum am Freitagabend ein reges Treiben. Nach einer kurzen Ansprache von Schulleiter Markus Martini präsentiert Terry Swartsberg die Schabbat-Traditionen des Judentums, darunter die Segnungen (Brachot) der Kerzen, des Weins, des Händewaschens und des Brots, sowie das gemeinsame Singen der Friedenshymne "Ose Schalom" und des hebräischen Lieds "Hava Nagila", begleitet von dem Dankesgebet "Schehechejanu".

Die rund 40 Gäste, darunter vor allem Schüler und Lehrkräfte, bleiben jedoch nicht nur in der Rolle des Zuschauers, sondern werden dank der enthusiastischen Animation von Swartsberg aktiv: Auf Swartsbergs Ruf "Schabbat" antwortet der Saal mit "Schalom". Auch ein gemeinsames "Amen" wird einstudiert, wobei die Betonung des Worts im Judentum auf der zweiten Silbe liegt, um den Enthusiasmus und die Verbundenheit der Teilnehmer zu unterstreichen. Mit den Worten "Heute bitte keine deutsche Zurückhaltung. Stürzt euch aufs Buffet!" eröffnet Swartsberg schließlich den Höhepunkt des Abends: das gemeinsame Essen.

"Ich kannte die ganzen Traditionen gar nicht. Das war wirklich interessant", sagt Gymnasiast Jeremias Alonso. Er hat mit sechs Mitschülern unter der Leitung von Lehrerin Nowak die Veranstaltung im Rahmen eines Projektseminars organisiert. Entstanden sei die Idee nach einer Diskussionsrunde zum Thema "Umgang mit Antisemitismus und rechter Hetze" an der Schule. In dieser Runde äußerten teilnehmende Schüler den Wunsch nach mehr Begegnungsmöglichkeiten zwischen Juden und Nichtjuden. Der Wahlmünchner Terry Swartzberg, der insbesondere durch seine Stolpersteine-Kampagne und seinen Selbstversuch zum öffentlichen Tragen seiner Kippa bekannt geworden ist, griff diesen Wunsch auf und schlug vor, einen gemeinsamen Schabbat in der Schule zu veranstalten.

"Oft wird das Judentum im kollektiven Gedächtnis durch negative Vorstellungen geprägt"

Lehrerin Elisabeth Nowak ist begeistert über die gelungene Umsetzung: "Mir war es besonders wichtig, den Schülern nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern auch die kulturelle Nähe zum Judentum herzustellen. Oft wird das Judentum im kollektiven Gedächtnis durch negative Vorstellungen geprägt, insbesondere im Geschichtsunterricht, der sich vorwiegend auf den Holocaust und das Erinnern konzentriert. Dabei geraten andere Facetten oft in den Hintergrund. Es ist wichtig, den Schülern zu vermitteln, dass das Judentum in Deutschland eine lebendige und vielseitige Tradition hat."

Auch Terry Swartsberg erlebt nach eigener Aussage oft, dass in der Öffentlichkeit ein falsches Bild vermittelt würde: "Da wird das Judentum immer als etwas Exklusives, als etwas Trauriges dargestellt. Dabei habe ich so viel Spaß daran, jüdisch zu sein. Und das will ich auch vermitteln!" Gemeinsam mit seinem Verein Jews Engaged With Society hat Swartzberg sich zum Ziel gesetzt, mit Jugendlichen in den Dialog zu treten und Begegnungsmöglichkeiten zwischen Juden und Nichtjuden zu schaffen. Dabei gehe es ihm darum, Wissen zu vermitteln und Brücken zwischen den Gemeinschaften zu bauen. Das Interesse an dem Angebot eines gemeinsamen "Begegnungs-Schabbat" wachse immer weiter: "Das ist schon mein dritter Schabbat in drei Wochen, und es werden immer mehr", berichtet Swartzberg. Freude vermitteln, Menschen zusammenbringen und sich als Jude nicht zu verstecken, das sei sein Motto.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMünchner Norden
:Ohne Moos kein Klimaschutz

Die Trockenlegung großer Feuchtflächen im Münchner Norden hat dazu geführt, dass das im Boden gespeicherte CO₂ freigesetzt wird. Als Moor-Managerin der Unteren Naturschutzbehörde will Christa Zeitlmann deshalb die Wiedervernässung vorantreiben.

Von Bernhard Lohr

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: