Haar:Dino mit Blaulicht

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Der Verein Oldtimer-Feuerwehr bewahrt historische Fahrzeuge auf und pflegt die Erinnerung an die Mobilität vergangener Zeiten

Von Bernhard Lohr, Haar

Karl-Heinz Bitzer tritt aufs Gas. Der Zwölf-Tonner beschleunigt. Es dauert zwar etwas, aber er wird schneller und rauscht noch rechtzeitig über die Ampel auf der B 304. Bitzer schnauft kurz durch und fängt dann an zu schwärmen. Er erzählt vom "Trucker-Feeling", das einen am Steuer eines derart alten Gefährts erfüllt. Der Dieselmotor des Modells 1313 nagelt vernehmlich. Nichts ist gedämpft, es gibt keine Servolenkung oder anderen elektronischen Schnickschnack. Auf das weitgeschwungene Lenkrad gestützt sagt Bitzer, jetzt wisse er, wo der Ausdruck vom "Kraftfahrer" herkomme. Denn so einen 45 Jahre alten Mercedes-Lkw zu fahren ist ein Erlebnis, und auch anstrengend.

Gerade in Zeiten, in denen alles von Elektromobilen redet, die nur noch über die Straße schnurren, wirkt das erste Drehleiter-Fahrzeug der Haarer Feuerwehr wie ein Dinosaurier. Es hat ein Lenkrad, ein Gaspedal und eine Bremse - es ist feuerwehrrot, hat Blaulichter auf dem Dach und eine 30 Meter lange, ausfahrbare Leiter auf dem Dach: Doch ansonsten hat es mit modernen Feuerwehrautos wenig gemein.

Karl-Heinz Bitzer, 60, kam 1977 zur Haarer Feuerwehr, er fuhr den Wagen bei vielen Einsätzen. So wie seine Kameraden wuchs er mit dem Fahrzeug zusammen. Als dieses 1999 außer Dienst gestellt wurde, stellte sich die Frage, was aus ihm werden soll. Verschrotten wollte man es nicht.

Der Mercedes 1313 mit einem Metz-Aufbau für die Leiter kommt ohne Schnickschnack aus. (Foto: Claus Schunk)

Also legten einige Feuerwehr-Routiniers 1500 Euro zusammen und kauften den Wagen. 2007 gründeten sie den Verein Feuerwehr Oldtimer Haar. Der Verein zählt heute 24 Mitglieder, von denen einige den geballten Sachverstand mitbringen, der notwendig ist, um solche Oldtimer-Schwergewichte zu warten. Außer dem ersten Drehleiter-Fahrzeug haben sie mittlerweile auch das erste Tanklöschfahrzeug aus dem Jahr 1964 unter ihren Fittichen.

"Alles stabil und robust. Kein Plastik"

Das gaben die Haarer 1991 für ein neueres ab, und es kam noch in Sachsen in die Gemeinde Zschorlau unter einer Bedingung zum Einsatz. Die Haarer sollten es für eine Mark zurückkaufen können, sobald es dort nicht mehr gebraucht würde. 2011 schauten die Oldtimer-Freunde, wer noch eine D-Mark auftreiben konnte, und holten den Wagen zurück. Bitzer klopft gegen die massive Stoßstange des Mercedes-Lkw, der gebaut wurde, als die Beatles ihre ersten Hits hatten. Alles stabil und robust. Kein Plastik. "Die könnte man heute als Leitplanke verkaufen", sagt er. Auch der Wagen "funktioniert pfenniggut".

Die Einsatzfahrzeuge, die heute in einer Garage auf einem Betriebshof an der Blumenstraße hinter den Gemeindewerken abgestellt sind, sind fahrtüchtig, haben einen gültigen TÜV und könnten, genau genommen, sogar noch ausrücken. Die Oldtimer-Freunde stecken viel Zeit und auch Geld in deren Unterhalt. Ein Getriebeschaden war bei dem jüngeren Modell aus dem Jahr 1972 schon zu beheben, dann mussten Reifen angeschafft werden. Neue Bremsen, oder neue Batterien: Es fällt immer etwas an.

Schneller als 80 Stundenkilometer fährt der Leiterwagen nicht. (Foto: Claus Schunk)

Kinder sind von der analogen Technik begeistert

Deshalb versuchen Karl-Heinz Bitzer und die anderen über Spenden auch etwas Geld hereinzubekommen Sie bieten Fahrten bei Hochzeiten an, bei Geburtstagen und anderen Feiern. Vor allem bei Kindern kommt die analoge Technik an: das massive Funkgerät, mit dem schwarzen Telefonhörer, das silber glänzende Armaturenbrett mit den großen Knöpfen, neben denen "Martinshorn" zu lesen steht, oder "Blaulicht". All das kündet von vergangenen Zeiten.

Und natürlich unternehmen die Oldtimer-Freunde selbst mit ihren Fahrzeugen Touren, vorzugsweise zu befreundeten Feuerwehren wie der in Geislohe in Mittelfranken. Mit der kleinen Feuerwehr in dem Ortsteil der Stadt Pappenheim verbindet die Haarer eine enge Beziehung, seit sich die Feuerwehrleute bei einem Einsatz auf der Autobahn bei Haar unter unglücklichen Umständen kennenlernten.

Als die Feuerwehrleute aus Geislohe von einem Ausflug auf dem Weg nach Hause in einen Unfall verwickelt wurden, kamen sie bei den Haarer Kollegen unter. Sie wurden versorgt und verbrachten noch einen Tag in München. Bis heute kommen die Franken nach Haar, Gegenbesuche gibt es selbstverständlich auch. Bitzer erzählt, die 137 Kilometer lange Fahrt von Haar nach Geislohe seien schon eine kleine Reise gewesen. Schneller als 80 Stundenkilometer fährt der Mercedes nicht, auch wenn es sich um einen Diesel-Turbo-Motor handelt.

Im Hagelsturm 1984 war die Leiter im Dauereinsatz

Ein Knopf für das Blaulicht, ein Schalter für das Martinshorn. Und dann muss auch noch das Funkgerät aktiviert werden. (Foto: Claus Schunk)

Aber für lange Strecken war der Leiterwagen auch nie gemacht, der in Haar angeschafft wurde, als im Jagdfeld-Wohngebiet die ersten Hochhäuser entstanden. Über die Leiter wurden Menschen aus brennenden Geschoss-Wohnungen gerettet. Die ausfahrbare Leiter half, Notfall-Patienten zu bergen, die über die Treppe nicht mehr gut hätten herabgebracht werden können. Und als in Haar beim legendären Hagelsturm 1984 etliche Dächer abgedeckt wurden, waren Wagen und Leiter eine Woche im Dauereinsatz.

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Von Michael Morosow

Heute schmückt der Wagen mit den zeitlos schönen Rundungen Paraden wie beim 150-Jahr-Jubiläum der Freiwilligen Feuerwehr München. Am 29. Mai 2016 fuhren Bitzer und seine Kameraden neben einem fast baugleichen Fahrzeug aus Kirchheim die Ludwigstraße runter. 438 Feuerwehr-Fahrzeuge nahmen an der damals weltgrößten Parade teil. Ein Erlebnis für Zuschauer, und für Fahrer, wie Bitzer sagt: "Man spürt die Straße."

© SZ vom 05.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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