Grünwald:Mit Schnitzmesser und viel Gefühl

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Der Restaurator und Vergolder Matthias Hornsteiner hat die wiederentdeckte Grünwalder Madonna aus dem 16. Jahrhundert restauriert. Sie stand viele Jahrzehnte lang im Pfarrhaus und niemand kannte ihren Wert. Am Samstag wird sie in der Kirche St. Peter und Paul gesegnet.

Von Claudia Wessel, Grünwald/München

Sie steht noch in Matthias Hornsteiners Werkstatt in der Münchner Lilienstraße 11 und schaut bescheiden-sinnierend unter sich, das Jesuskind auf ihrem Arm blickt neugierig in die Ferne. Alles in allem liegt ein großes Strahlen über den beiden, das vor allem vom frischen Blattgold auf Mantel, Krone und Zepter herrührt. Die Madonna, die etwa um 1530 herum für die Grünwalder Kirche geschnitzt wurde, ist fertig und wird am Samstag, 16. Mai, um 19.30 Uhr in einer feierlichen Maiandacht, veranstaltet vom Verein der Freunde Grünwalds und dem Trachtenverein, in der Kirche St. Peter und Paul gesegnet. Sie wird dort einen Ehrenplatz erhalten.

Dass die Kirche St. Peter und Paul nun über eine echte Lindenholzfigur aus dem 16. Jahrhundert verfügt, die von dem Restaurator, Vergolder und Fassmaler Hornsteiner stilecht wieder so hergestellt wurde, wie sie wohl seinerzeit aussah, ist vor allem dem CSU-Stadtrat und Geschichtsfreund Wolfgang Kuny zu verdanken. Als er vor zwei Jahren während der Fronleichnamsmesse neben der Figur saß - die nur zu diesem Anlass vom Trachtenverein zu Umzug und Messe aus dem Pfarrheim mitgenommen wurde - fiel ihm etwas ein, das er gelesen hatte. Denn von seinen Eltern hatte er ein Heft namens "Deutsche Heimatkarte" geerbt, in dem Kunstgegenstände aufgelistet sind. Unter Grünwald war die Rede von einer "spätgotischen Madonna, überarbeitet". Kuny fragte sich, wo diese denn wohl sei, denn er hatte noch nie eine solche gesehen. In Grünwald gab es nur die mit Ölfarbe angemalte Madonna im Pfarrhaus, die man für eine Kopie hielt und sie daher immer wieder in der Versenkung verschwinden ließ.

Schon seine Eltern lebten in Grünwald

Kuny schrieb einen Brief an die Kirchenverwaltung und fragte, ob man die Madonna nicht untersuchen lassen wolle. Der Auftrag wurde erteilt und natürlich erhielt ihn der Grünwalder Restaurator Hornsteiner. Schon seine Eltern lebten in Grünwald und auch er seit 1980 wieder. Nur seine Werkstatt, die er vom Onkel übernommen hat, ist in München.

Als sich der 76 Jahre alte Hornsteiner, der seinen Beruf seit mehr als 50 Jahren ausübt, nun "mit Schnitzmesser und viel Gefühl" daran machte, unter die Ölfarbe zu blicken, erkannte er schnell, dass da noch einige weitere Schichten und somit Zeugen aus vergangenen Zeiten zutage kamen. So stieß Hornsteiner beispielsweise auf Vergoldungsreste aus der Biedermeierzeit, also etwa von 1850. Er entdeckte außerdem einige Reparaturen an der wurmstichigen Figur, etwa Ende des 18. Jahrhunderts wurde sie laut Hornsteiner um eine Holzplatte am Rücken ergänzt - vorher war sie offenbar ein Halbrelief und Teil eines Schreins, auch wurden die langen Haare auf ihrem Rücken neu geschnitzt. "Dass die seitlichen Haare auf dem Kopf gotisch sind, also vom Anfang des 16. Jahrhunderts, sieht man an der Führung des Schnittes", sagt der Experte. Auch einige Versuche, Wurmlöcher mit Kreidegrund, einer Mischung aus Knochenleim und Kreide, zu füllen, fand Hornsteiner.

Auch die linke Hand des Jesuskindes ist neu

Ein Zeichen dafür, dass die Figur verändert wurde, war auch die linke Hand des Jesuskindes. Sie war viel zu kräftig, hatte keine Finger wie die andere, sehr zarte Hand. Der Münchner Holzbildhauer Georg Wilczek schnitzte die Hand neu, ebenso zwei Blätter aus der Krone, die man mit Gips repariert hatte, und das Zepter. Das alte Zepter war ein barockes, jetzt trägt die Madonna eines aus ihrer Geburtszeit, nämlich der Spätgotik.

Vermutlich wurde die Madonna für die um 1480 errichtete Pfarrkirche in Grünwald hergestellt, gespendet vermutlich vom Herzog, denn "die Grünwalder waren damals bettelarme Bauern ", sagt Kuny. Als 1939 die neue Pfarrkirche eingeweiht und die alte zur Kriegerkapelle wurde, räumte man die Madonna vermutlich weg. Und dann wusste keiner mehr, wie wertvoll sie war.

© SZ vom 15.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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