Mitten in Oberhaching:Bei Grau sieht der Bürgermeister rot

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An der der zulässigen Dachfarbe im Ort wird nicht gerüttelt - auch wenn es um Photovoltaikanlagen geht.

Von Iris Hilberth

Es gibt keine offizielle Dachziegel-Statistik darüber, wie oft der Topseller Rubin 13V bereits in Jadegrün oder in Orchidee gewählt wurde. Auch bei den Ausführungen in Himmelblau oder Mandarine dürften sich die Verkaufszahlen pro Jahr im einstelligen Bereich bewegen. Dabei wäre ein rosa- oder orangefarbenes Dach doch ein echter Hingucker. Wo wohnen Sie? Ach ja, in dem Haus mit den knallgrünen Ziegeln. Verzeihung, den maigrünen natürlich. Kann man alles haben.

Aber so eine Villa Kunterbunt ist nicht überall erwünscht. In Oberhaching etwa kann man derartige kreative Gestaltungsideen beim Häuserbau vergessen. Diese Einsicht ist an sich nichts Neues. Die berüchtigte und von Architekten gefürchtete Ortsgestaltungssatzung gibt es schon seit gefühlt 500 Jahren. Und die schreibt eben vor: Dachziegel haben "naturrot" zu sein. Und nur naturrot. Nicht purpurrot, nicht karmesinrot und schon gar nicht burgunderrot.

Es gab in der Vergangenheit den einen oder anderen Bauherren, der dachte, er könnte sich unbemerkt über solche Farb-Vorschriften hinwegsetzen. Er landete mit dieser Ignoranz gegenüber gemeindlichem Gestaltungswillen vor Gericht. Im Jahr 2015 war Cornelia Dürig-Friedl, Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht München, in die Oberhachinger Hubertusstraße gereist, um die dort verbauten Dachziegel in Augenschein zu nehmen. Beim Ortstermin stellte die in solchen Sachen sehr erfahrene Richterin schnell fest: Das sind keine naturroten Ziegel, sondern sie sind teilweise "eher grau", vielleicht auch "dunkelbraun" oder gar "bräunlich". Es gab nur zwei Möglichkeiten für den Eigentümer des farblich völlig falsch gedeckten Hauses: Die Ziegel austauschen oder rot anstreichen.

Nun sind seitdem ein paar Jahre ins Land gezogen, die Ortsgestaltungssatzung wurde überarbeitet. Andersfarbige Ziegel aber sind weiterhin ein absolutes No-Go. Die Wählergemeinschaft Oberhaching fand das Beharren auf rote Ziegel irgendwie nicht mehr zeitgemäß, zumal inzwischen auf vielen Dächern Photovoltaik-Module verbaut sind, die schließlich auch nicht rot sind. Also schlug die Gruppierung vor, den Rest des Daches farblich etwas anzupassen. Vielleicht mit ein bisschen Anthrazit? Das könnte man doch in die Satzung aufnehmen. Womöglich ist die Idee gar nicht so verkehrt. Aber auf solche Überlegungen lassen sich der Bürgermeister und die Mehrheit der Gemeinderäte gar nicht erst ein. Rot bleibt Rot. Bei Grau sieht der Oberhachinger zwar auch rot. Aber das bedeutet nichts Gutes für den Verursacher. Dann kommt Frau Dürig-Friedl.

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