SZ-Serie: Meine zweite Heimat:Zwischen Albträumen und Zuversicht

Lesezeit: 2 min

Ghirmay Mebrahtom ist aus Eritrea nach Deutschland geflohen. (Foto: Sebastian Gabriel)

Bis heute verfolgt Ghirmay Mebrahtom seine Flucht aus Eritrea, doch nach acht Jahren plant er inzwischen eine gemeinsame Zukunft mit seiner Frau in Garching.

Von Anna-Maria Salmen, Garching

Fahle Sonnenstrahlen erhellen an diesem Nachmittag den Garchinger Bürgerplatz. Ghirmay Mebrahtom lächelt und atmet durch nach dem grauem Wetter der vorangegangenen Monate. "Ich komme aus einem Sonnenland", erzählt er. "Regen mag ich nicht." Wenn man sein breites Grinsen sieht, ahnt man nicht, was der Eritreer durchgemacht hat, bevor er Anfang 2015 in Garching ankam. Noch immer plagen den 28-Jährigen Albträume, so sehr belasten ihn die Erinnerungen an die Flucht aus seiner Heimat. Eigentlich, sagt er, wollte er alles einmal aufschreiben, doch bisher sei er dazu noch nicht in der Lage gewesen.

Als Mebrahtom zu erzählen beginnt, spricht er mit fester Stimme. Nur hin und wieder, wenn ihn die Emotionen überwältigen, muss er pausieren. "In meinem Land gab es keine Zukunft", sagt er. Dort hat er Abitur gemacht, doch der Abschluss ging mit der anschließenden Verpflichtung für das Militär einher. Mebrahtom wollte diesen Weg nicht gehen, sondern seine Zukunft selbst gestalten, einen eigenen Beruf wählen.

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

In aller Heimlichkeit ließ er sich daher von Schmugglern über die Grenze nach Äthiopien bringen, nachts, versteckt und leise. Denn wenn die Soldaten ihn entdeckt hätten, wäre er eigenen Worten zufolge sofort ins Gefängnis gekommen. Eingepfercht mit fast 30 Menschen ging es auf der Ladefläche eines Pickups weiter über den Sudan nach Libyen. Die Schmuggler, so erinnert sich Mebrahtom, kümmerten sich nicht darum, wer oben blieb. Mit hoher Geschwindigkeit seien sie durch die Wüste geprescht. "Wenn jemand runtergefallen ist, war es das. Sie haben nie angehalten." Zu trinken gab es während der Strapazen in der glühend heißen Sahara nur Wasser aus Benzinkanistern, die die Schmuggler zuvor nicht einmal ausgewaschen hatten.

Letztendlich, sagt Mebrahtom heute, ist es die Arbeit, die ihn das Erlebte zumindest ansatzweise vergessen lässt. Seit einigen Jahren ist er in einem Garchinger Biomarkt angestellt. Vor allem freundliche Kunden und hilfsbereite Kollegen haben ihm die Integration erleichtert. "Die Mitarbeiter sind wie meine Familie." Durch seinen Chef fand der Eritreer auch eine eigene Wohnung. Allein zu leben, sei eine große Umstellung gewesen. Mebrahtom hat sieben Geschwister, in seiner Heimat war es üblich, sich mit einigen von ihnen das Bett zu teilen.

Im vergangenen Jahr hat er geheiratet. Seine Frau kennt er bereits seit seiner Kindheit in Eritrea. Momentan ist sie noch in Äthiopien, bislang konnte sie nicht nach Deutschland kommen. Sie zu sich zu holen, ist also Mebrahtoms nächstes großes Ziel. Danach, so sagt er, will er gemeinsam mit ihr Pläne für die Zukunft schmieden. In Garching möchte er in jedem Fall bleiben.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusBadeunfälle
:Die Hightech-Retter aus der Bretterbude

Die Unterhachinger Wasserwacht ist hochmodern ausgerüstet. Sie arbeitet mit Unterwasserdrohnen und gilt als wichtiges Ausbildungszentrum für Bayern. Von der Gemeinde fühlt sie sich kaum unterstützt, obwohl sie ihren Stützpunkt im Freibad hat.

Von Iris Hilberth (Text), Sebastian Gabriel (Fotos und Videos)

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: