Garchinger Fußgängerzone:Zentrum ohne Laster

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Mit einem Bürgerbegehren wollen die Garchinger Grünen, dass der Helmut-Karl-Platz künftig nicht mehr zeitweise für schweren Lieferverkehr freigegeben wird. Die Grünen sorgen sich um Sicherheit und das urbane Leben.

Von Gudrun Passarge, Garching

"Rettet den Helmut-Karl-Platz", das wollen die Garchinger Grünen mit ihrem Bürgerbegehren. Die Unterschriftenlisten sind gedruckt, viele Haushalte werden sie in Kürze mit entsprechenden Informationen in ihrem Briefkasten vorfinden.

Den Grund für das Begehren formuliert der Fraktionssprecher der Grünen im Stadtrat, Hans-Peter Adolf, so: "Wir wollen verhindern, dass der Platz von Zwölftonnern überfahren wird und dass das urbane Leben wieder kaputt gemacht wird, was hier ganz toll entstanden ist."

Hintergrund ist ein schon seit Jahren währender Streit der Stadt mit der Familie Amon/Ostler. Ihr gehört der frühere Schlecker-Laden, der seit der Insolvenz der Drogerie-Kette leer steht. Sie hatte gefordert, Lieferverkehr auch für größere Laster zuzulassen, weil sonst der Laden schlecht zu vermieten sei.

Walter Kratzl pocht auf die Fußgängerzone

Im Bebauungsplan "Schererhaus", so erläutert Walter Kratzl, Dritter Bürgermeister, sei jedoch ganz klar festgelegt, dass der Bereich als Fußgängerzone gelte. Maximal 7,5 Tonnen dürften die Lieferwagen wiegen und sie hätten auch nur zeitlich begrenzt die Erlaubnis, in die Fußgängerzone einzufahren. Die Lieferung für den Schleckerladen war über die Telschowstraße geregelt, "das hat jahrelang funktioniert", stellt Kratzl fest.

2013 habe die SPD noch das Ansinnen der Familie Ostler, den jetzt nach Garchings Altbürgermeister Helmut Karl benannten Platz als Lieferzufahrt zu nutzen, einhellig abgelehnt. Die Stadt stellte am Übergang zum Bürgerplatz beim Hotel König Ludwig Poller auf. Daraufhin hatte die Firma der Familie geklagt. Im Oktober 2015 schließlich stimmte der Hauptausschuss dem Vorschlag einer Mediatorin zu, den Lieferverkehr über den Platz zuzulassen und das für Lastwagen mit bis zu zwölf Tonnen. Dafür übernimmt die Familie Ostler die Kosten für einen versenkbaren Poller. Zeitlich legte der Ausschuss sich auf eine Lieferzeit von 7 bis 20 Uhr täglich für die gesamte Fußgängerzone fest, am Samstag endet die Frist um 12 Uhr. "Selbst in München gelten die Lieferzeiten in Fußgängerzonen nur bis 10 oder 11 Uhr", sagt Adolf.

Adolf sieht die Interessen des Gemeinwohls geopfert

Er wirft der Stadt vor, sie habe sich bei der Meditation "über den Tisch ziehen lassen", ohne Not, denn ein reguläres Verfahren hätte die Stadt durchaus gewinnen können, das habe auch der Bürgermeister im vergangenen Jahr noch berichtet. Adolf sieht hier die Interessen des Gemeinwohls geopfert für das Interesse Einzelner. Er will sich lieber nicht vorstellen, wie es wäre, wenn Schulkinder beim Eisessen sitzen und ein Zwölftonner an Bäckerei und Eisdiele vorbei zum ehemaligen Schlecker-Laden fahre, um dann auf die Telschowstraße rauszufahren.

Für das Bürgerbegehren haben die Grünen bewusst eine Formulierung gesucht, die der Stadtrat nicht anfechten könne, wie der Jurist Adolf erläutert. Der Stadtrat muss, sollten neun Prozent der Garchinger unterschreiben, über die Zulassung des Bürgerbegehrens entscheiden. Zirka 1200 Stimmen wollen die Grünen dafür sammeln, den Bebauungsplan Schererhaus so zu ändern, dass Hecken und Büsche in der Fußgängerzone strategisch gepflanzt würden. Um so "die Durchfahrt für Lastkraftwagen mit einer Breite von mehr als 180 Zentimetern zwischen dem Hotel König Ludwig und dem ehemaligen Schlecker auszuschließen".

Im Hauptausschuss waren die beiden Grünen die einzigen Gegenstimmen, nur Josef Euringer (Bürger für Garching) hatte den Plan ebenfalls abgelehnt, weil er die Variante mit der Durchfahrt an der Eisdiele vorbei nicht für machbar hält. Die CSU räumt ein, man müsse über die zeitliche Beschränkung reden, "aber eine komplette Ablehnung des Beschlusses finde ich nicht gut", sagte Jürgen Ascherl, Fraktionschef im Stadtrat, zumal ja wirtschaftliche Interessen betroffen seien. Ähnlich wie Ascherl sieht es sein Kollege von den Unabhängigen Garchingern. Peter Riedl erinnert daran, dass man ja das Ortszentrum beleben wolle, aber ganztägig brauche man die Lieferzeiten wohl nicht.

Gruchmann will abwarten, ob sich die gefundene Lösung bewährt

Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD) argumentiert pragmatisch: "Wenn es sich nicht als praktikabel erweist, werden wir eine andere Lösung finden." Er rechne jedoch nicht damit, dass künftig täglich Zwölftonner über den Platz rauschten. "Wir sollten erstmal schauen, welche Mieter da hinkommen und wie oft sie beliefern."

Die Grünen fangen trotzdem an, Unterschriften zu sammeln. Gleich beim beliebten Radlflohmarkt am 7. Mai erhoffen sie sich regen Zuspruch. Den von Peter Fölsner haben sie schon. Seiner Familie gehört die Eisdiele. "Ich spreche in erster Linie für Garching", betont er. Der Helmut-Karl-Platz sei so etwas wie der Marienplatz von Garching. Mehr als 3000 Menschen seien an schönen Tagen dort unterwegs, sie kämen von der U-Bahn oder gingen zur Eisdiele oder der Bäckerei.

"Und hier sollen praktisch die Laster über die Füße drüberrollen", schimpft er. Von den Einbußen des Geschäfts gar nicht zu reden. "Oder würden sie sich zum Eisessen dort hinsetzen, wenn Zwölftonner vorbeirauschen?"

© SZ vom 23.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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