Flüchtlinge:Nur ja keine Anreize schaffen

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Helfer berichteten in Grünwald von der Angst der Menschen, die nicht arbeiten dürfen. (Foto: Marijan Murat/dpa)

Bei einem Symposium in Grünwald fordern Asylhelfer, dass auch nicht anerkannte Flüchtlinge hier arbeiten dürfen. CSU-Politiker warnen, dass dann mehr Menschen illegal einreisen könnten - und plädieren für schnellere Verfahren.

Von Claudia Wessel, Grünwald

"Die Realität ist anders." Dieser Satz eines Ehrenamtlichen vom Helferkreis Starnberg fasst zusammen, wie unterschiedlich die Sichtweisen am Dienstag im Bürgerhaus Grünwald waren. CSU-Politiker sprachen von illegaler Zuwanderung, die ausgelöst werde, wenn illegal Eingereisten eine Arbeitserlaubnis erhielten. Helfer und Mitarbeiter der Kommunen, die an der Basis arbeiten, sprachen von der Angst der Menschen, die nicht arbeiten dürfen, weil sie aus als sicher eingestuften Herkunftsländern kommen. "Das sind junge Menschen, das ist ein Potenzial, das diese Welt gestalten könnte, und es sitzt rum", beklagte Susanne Hehnen, in der Gemeinde Haar zuständig für Asyl und Integration, unter großem Applaus der Zuhörer. Wenn man diese Leute arbeiten lasse, widersprach Markus Blume, CSU-Landtagsabgeordneter und stellvertretender Generalsekretär, "verbreitet sich das über Twitter und setzt neue Anreize für illegale Einreise".

Zum Symposium des Vereins "Hilfe von Mensch zu Mensch" waren rund 120 ehrenamtlich und beruflich in der Flüchtlingshilfe Engagierte gekommen. Auf dem Podium bei der Diskussion am Vormittag mit dem Titel "Integration nicht dem Zufall überlassen - was wollen wir als Gesellschaft, was müssen wir dafür tun und wie können wir zusammenarbeiten?" saßen Ingrid Reinhart vom Helferkeis Grünwald, Susanne Hehnen von der Gemeinde Haar, die Geschäftsführerin des Vereins "Hilfe von Mensch zu Mensch", Sadija Klepo, und Markus Blume.

An Letzteren war der Satz des Starnberger Helfers gerichtet, und er wurde von anderen mit weiteren Beispielen untermauert. Die Menschen aus sicheren Herkunftsländern seien zwar keine anerkannten Flüchtlinge, wurde in unterschiedlichen Beiträgen gesagt, aber sie blieben dennoch über einen sehr langen Zeitraum hier, da die Verfahren nun mal sehr lange dauerten. "Diese Zeit muss man gestalten", wünschte sich Hehnen. Man dürfe die jungen Männer nicht frustriert herumsitzen lassen. "Da kommen sie womöglich auf dumme Gedanken", wie ein Helferkreis-Mitarbeiter aus dem Publikum sagte. Die Lösung von Markus Blume: "Wir haben die Verfahren bereits verkürzt. Nun müssen wir daran arbeiten, auch die Gerichtsverfahren zu verkürzen." Dann könne man die unrechtmäßig Anwesenden schneller zurückführen. Er sehe allerdings die Möglichkeit, "Altfälle" anders zu lösen, indem man Menschen, die schon sehr lange hier leben, eventuell ermögliche, zu bleiben. Daran müsse man jedoch noch arbeiten.

Großes Interesse an Zeitarbeitsfirma für Geflüchtete

Auch die CSU-Landtagsabgeordnete Kerstin Schreyer, seit 1. März Integrationsbeauftragte der Staatsregierung, erklärte: "Uns geht es verdammt gut und wir wollen helfen. Wir können aber nicht die ganze Welt aufnehmen." Der echte Fluchtgrund sei daher von großer Bedeutung. Den Menschen mit Migrationshintergrund, die bereits hier leben, müsse man "erklären, wie wir hier miteinander leben". Beispielsweise, dass es Religionsfreiheit gebe, die Gleichberechtigung von Mann und Frau gelte und ein Grundgesetz.

Nach der Theorie folgte der praktische Teil des Symposiums. So stellten sich nach der Mittagspause zehn unterschiedliche Projekte vor, die Teilnehmer konnten dabei jeweils von Tisch zu Tisch wechseln. Sehr großes Interesse fand Robert Kratzer von der Firma Social Bee, einer Zeitarbeitsfirma nur für Geflüchtete, die es seit eineinhalb Jahren gibt. Die Flüchtlinge werden bei Social Bee angestellt, erhalten dazu zweimal in der Woche einen Deutschkurs und werden an Unternehmen weitervermittelt. Im Moment arbeite man mit sieben Firmen zusammen, sagte Kratzer.

Die meisten Geflüchteten seien dabei bisher als Lagerarbeiter beschäftigt, doch die Berufsbilder erweiterten sich ständig. So habe man auch bereits einen Biochemiker in ein Labor vermittelt. Zur Zeit suche man einen Maschinenbauer mit entsprechendem Studium. Zahlreiche Helferkreismitarbeiter boten an, interessante Bewerber an die Firma zu melden.

Übrigens, betonte Kratzer, habe man bei Social Bee auch bereits für Menschen aus als sicher geltenden Herkunftsländern Arbeitsgenehmigungen erwirkt. "Im Einzelfall ist das durchaus möglich", räumte auch Blume ein. Man kann also aus der "anderen Realität" durchaus etwas machen, während "die Politik sie einfach verdrängt", wie ein Teilnehmer sagte.

© SZ vom 10.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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