Schwangerschaftsabbrüche:"Es gibt immer wieder Anfeindungen"

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Um das Abtreibungsrecht wird gerade wieder gerungen: Szene auf einer Demonstration in München Mitte April. (Foto: Robert Haas)

Mitarbeiterinnen von Beratungsstellen begrüßen die Pläne für einen besseren Schutz von Frauen vor der Belästigung durch Abtreibungsgegner. Die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen halten dagegen nicht alle für zielführend.

Von Thalia Bouchehrian, Haar/Ismaning

Die Rechte von Frauen müssen gestärkt werden, da sind sich Brigitte Vath und Petra Hünnefeld von der Familienberatung Ismaning einig. Die aktuelle Debatte über die Entkriminalisierung von Abtreibungen beschäftigt sie sehr. Jedes Jahr suchen mehr als hundert Frauen und Paare die staatlich anerkannte Beratungsstelle in Ismaning auf, die auch für die Landkreise Erding, Freising und Ebersberg zuständig ist. Die Gründe sind vielschichtig: Psychische oder physische Überforderung, die Angst vor Verantwortung, Zukunftsängste wegen der Wohnungssituation oder beruflicher und finanzieller Probleme können zu einem Abbruchwunsch führen.

"Eine ungewollte Schwangerschaft versetzt die Frau oft in einen Schockzustand", sagt Petra Hünnefeld. "Keine Frau entscheidet sich leichtfertig für einen Schwangerschaftsabbruch. Die meisten Betroffenen befinden sich in einer Krisensituation." Neben der starken emotionalen Belastung, die mit der Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch einhergehe, werde die Situation von betroffenen Frauen auch durch die Komplexität der gesetzlichen Lage erschwert.

Bis heute sind Abtreibungen in Deutschland nach Paragraf 218 des Strafgesetzbuches rechtswidrig und nur unter bestimmten Voraussetzungen straffrei . Doch das könnte sich bald ändern: Um das Stigma rund um den Schwangerschaftsabbruch zu verringern, empfiehlt eine von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission nun die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen im ersten Trimester der Schwangerschaft. Vath und Hünnefeld von der konfessionell nicht gebundenen, kommunalen Familienberatung Ismaning unterstützen diesen Vorschlag und hoffen, dass die Entkriminalisierung der Abtreibung dazu beiträgt, die Versorgungslage von Frauen zukünftig zu verbessern. Immer noch gebe es zu wenig Ärzte, die dazu bereit seien, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen - oft auch aus Angst davor, Opfer von Anfeindungen zu werden.

Dagegen will die Bundesregierung etwas tun: Eine vom Bundeskabinett bereits beschlossene Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes sieht vor, die sogenannte "Gehsteigbelästigung" künftig zu verbieten. Demnach soll es innerhalb von 100 Metern um den Eingangsbereich von Arztpraxen und Beratungsstellen strafbar sein, Schwangere und Beschäftigte von Beratungsstellen zu belästigen - bei Verstößen sind Bußgelder von bis zu 5000 Euro vorgesehen.

Auch Brigitte Henrici, die Leiterin der Beratungsstelle von Donum Vitae in Haar, begrüßt diese Änderung: "Es ist unerträglich, wenn schwangere Frauen in Krisensituationen auch noch belästigt werden", sagt sie und spricht aus eigener Erfahrung: "Es gibt immer wieder Anfeindungen per Mail oder Post, die dann wirklich massiv und unangenehm sind." Zwar habe sie in den vergangenen Jahren noch nicht erlebt, dass Menschen direkt vor den Beratungsstellen bedrängt wurden, dennoch sei es dringend erforderlich, klare Regeln zu schaffen, die nicht nur die betroffenen Frauen, sondern auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Beratungsstellen besser schützen.

Der christliche Verein Donum Vitae ist gegen die Straffreiheit

Der vollständigen Legalisierung von Abtreibung steht der christlich geprägte Verein Donum Vitae jedoch skeptisch gegenüber: "Ich denke, die wenigsten Frauen in Deutschland entscheiden sich aufgrund gesetzlicher Gegebenheiten für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch, sondern eher aus existenziellen Gründen", erklärt Ulrike Holtappel von der Beratungsstelle in Haar. 79 Ratsuchende haben die Schwangerschaftskonfliktberatung im vergangenen Jahr in Anspruch genommen. Damit macht die Schwangerschaftskonfliktberatung nur 22 Prozent aller Beratungen bei Donum Vitae in Haar aus. Mit den geltenden Gesetzen der letzten Jahre habe man sehr positive Erfahrungen gemacht.

Auch Rita Klügel, Mitglied des Vorstands von Donum Vitae Bayern, spricht sich gegen eine Änderung von Artikel 218 aus: "Ursprünglich ging es dem Gesetzgeber nicht um Strafe, sondern darum, Unterstützung und Hilfe in Form von Beratung anzubieten. Deshalb ist die Abtreibung in Deutschland zwar rechtswidrig, aber eben straffrei." In den vergangenen 50 Jahren habe es ohnehin nur eine einzige Verurteilung gegeben. Zudem besteht laut Klügel die Sorge, dass mit einer Legalisierung auch die Pflicht zur Beratung entfallen könnte.

"Fast alle Frauen verlassen die Beratungsstelle mit dem Gefühl, hilfreiche Impulse und Informationen für ihre nächsten Schritte und Entscheidungen erhalten zu haben", berichtet Claudia Nasahl, Sozialpädagogin bei Donum Vitae in Haar. Daher sei es nicht im Interesse der Betroffenen, die Pflichtberatung abzuschaffen. Die Versorgungslage für Frauen müsse verbessert werden, dafür sei aber die Entkriminalisierung nicht ausschlaggebend. Ihre Kollegin Brigitte Henrici betont die Bedeutung solcher Debatten: "Es ist entscheidend, dass wir diese Diskussionen führen und offen darüber sprechen."

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