Erwachsenenbildung:Mit anderthalb blauen Augen davon gekommen

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Der neue Gebäudekomplex in der Telschowstraße 5 bis 7 bietet der Volkshochschule zusammen mit der Nachbarschaftshilfe und dem Familienzentrum mehr Platz. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die VHS Nord hat über die Corona-Jahre nur ein Drittel ihrer Teilnehmenden verloren und konnte viele Dozenten halten. Nun startet man mit mehr als 1600 Kursen ins Herbst- und Wintersemester.

Von Clara Müller, Garching

Altersarmut trifft auch im Raum München immer mehr Menschen. Viele Betroffene wissen nicht, wie sie finanzielle Herausforderungen im Alter meistern. Die Volkshochschule (VHS) im Norden des Landkreises München setzt genau hier an und lädt in diesem Semester zu einem gleichnamigen Vortrag ein. "Die Veranstaltung zum Thema Altersarmut zählt zu meinen persönlichen Highlights im neuen Kursprogramm", sagt Katrin-Jasmin Becker, Fachbereichsleitung Marketing, Welt und Outdoor bei der VHS. "Wir haben eine Schuldnerinsolvenzberaterin zu Gast, die Tipps zu Finanzfragen im Ruhestand mitbringt." Die Veranstaltung am 23. Oktober in Garching ist gebührenfrei. "Unser Ziel ist, einen niedrigschwelligen Zugang zu gewähren, das liegt mir persönlich sehr am Herzen", sagt Becker.

Der Vortrag ist einer von 1603 geplanten Formaten, die die VHS im Norden des Landkreises München im Herbst- und Wintersemester anbietet. Das entspricht 43 300 Unterrichtsstunden mit 578 Dozierenden. Das gewachsene Programm ist dank des neuen Hauses in Garching möglich, das sich die Bildungseinrichtung seit Anfang des Jahres mit der Nachbarschaftshilfe und dem Familienzentrum teilt. "Mehr Platz bringt natürlich auch mehr Möglichkeiten, die wir gerne voll ausschöpfen", sagt Becker über die Programmplanung.

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Das neue Haus war für die VHS Nord der perfekte Anschluss, um aus der schwierigen Corona-Zeit herauszukommen, erzählt der Leiter Lothar Stetz. "Der bundesweite Rückgang der Teilnehmerzahlen an Volkshochschulen nach der Pandemie ist desaströs", sagt er. "So war es bei uns zu keiner Zeit. Wir sind mit anderthalb blauen Augen durchgekommen, würde ich sagen." Dass man die Einrichtung nie vollständig geschlossen habe, wirke sich nun positiv aus: Es konnten viele Dozierende gehalten werden und die Teilnehmerverluste waren weniger gravierend.

Die VHS hat nach eigener Darstellung nur ein Drittel ihrer Teilnehmenden verloren, heuer fehlen noch 15 bis 20 Prozent, um auf das Vor-Corona-Niveau zu kommen. Dabei sei die zusätzliche Nachfrage aus den Integrations- und Sprachkursen herausgerechnet, die seit dem Ukraine-Krieg deutlich gestiegen ist. "Ich gehe davon aus, dass wir noch anderthalb Jahre brauchen, um die Teilnehmerlücke wieder zu schließen", sagt Stetz.

Will im nächsten Jahr wieder auf Vor-Corona-Niveau sein: VHS-Leiter Lothar Stetz. (Foto: Florian Peljak)

Der russische Angriffskrieg findet sich auch unter den Schwerpunkten des neuen Semesters. Hier stehen - neben den üblichen Sprach-, Gesundheits-, und Gestaltungskursen - die ganz großen Themen: Künstliche Intelligenz, Klima, Weltpolitik. Das Programm spannt sich von ChatGPT über Dürre, Wasserknappheit und Artensterben bis zur imperialen Vergangenheit Russlands. Auch wer sich schon mal gefragt hat, wie man Psychopathen erkennt oder wie man glücklich alt wird, kann das in einem VHS-Kurs lernen.

Die Kurse finden überwiegend in Präsenz statt, dennoch bleiben auch hybride und reine Online-Formate als Corona-Relikt im Programm bestehen. "Wir haben mit der Corona-Krise unser Programm sehr schnell auf online umgestellt. Als wir die Kurse wieder persönlich anbieten konnten, haben wir gemerkt, dass manche die Inhalte gerne weiter von zuhause aus konsumieren möchten", erklärt Katrin-Jasmin Becker. "Also haben wir mit den Hybrid-Vorträgen ein Format für beide Zielgruppen geschaffen, das weiterhin sehr gut angenommen wird."

Mit einem Abo für 30 Euro können 150 Veranstaltungen besucht werden

Gut kommt auch das Vortrags-Abo bei den Teilnehmenden an. Abonnenten können für 30 Euro 150 Veranstaltungen besuchen. "Wir haben einen festen Kern, der das Abo jedes Semester nutzt", sagt Becker. "Das Abo ist zudem übertragbar, das heißt, ich kann es mit Freunden und Familie teilen. Die können damit das Programm wie mit einer Flatrate kostenfrei genießen." Auch das Kinoprogramm der VHS, das in der Blackbox in Ismaning läuft, ist im Abo enthalten. In Konkurrenz zu den regulären Kinos steht die Volkshochschule laut der Fachbereichsleiterin damit aber nicht.

Einführungsvorträge oder anschließende Gespräche mit Historikern oder Wissenschaftlerinnen ergänzen die Filme. "Unsere Filmvorführungen zählen zur Erwachsenbildungen, sind oft sozialkritisch und haben einen Mehrwert für die Gesellschaft", sagt Becker. Im Herbstprogramm dabei: der Film "Her" zum Thema Zukunft von Mensch-Maschine-Interaktion, der durch den Evolutionsbiologen Axel Lange eingeordnet wird.

Ob eine Volkshochschule so etwas wie ein Stammpublikum hat? "Wir haben auf jeden Fall Teilnehmende, die uns seit vielen Jahren die Treue halten", sagt Becker. "Das ist vor allem im Gesundheitsbereich oder bei Sprachkursen der Fall. Aber es kommen auch immer wieder neue Menschen dazu, die durch einen besonderen Vortrag auf unser Programm aufmerksam geworden sind." Offizieller Programmstart ist am 25. September 2023, einige Kurse laufen bereits davor an.

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