Eingemeindung:Unterschleißheimer Expansionspläne

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Die Echinger Siedlung am Geflügelhof ist von Unterschleißheim aus erschlossen, ihre Bewohner nutzen die Infrastruktur der Stadt. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Stadt würde die Siedlung am Geflügelhof gerne eingemeinden. Echings Bürgermeister Sebastian Thaler schließt eine Gebietsabtretung nicht grundsätzlich aus

Von Klaus Bachhuber, Unterschleißheim

Knapp 30 Jahre nach der Eingemeindung des Echinger Ortsteils Hollern möchte die Stadt Unterschleißheim nun auch die Siedlung am Geflügelhof aufnehmen. Die Häuser mit ihren rund 160 Einwohnern sind nur durch die Bundesstraße 13 von der Stadt getrennt und in ihrer kompletten Infrastruktur nach Unterschleißheim ausgerichtet. Mit einer Unterschriftenaktion haben Anwohner am Geflügelhof bereits vor Jahren den Wunsch artikuliert, von Eching nach Unterschleißheim zu wechseln.

2013 brachte die Freie Bürgerschaft im Unterschleißheimer Stadtrat den Antrag ein, die Eingemeindung zu betreiben. Vor einer formalen Beschlussfassung wollte die Stadtverwaltung die Bereitschaft in Eching ausloten - doch dort stand die Anfrage in mehr als fünf Jahren noch nicht mal auf der Tagesordnung.

Er habe seinen Echinger Kollegen Sebastian Thaler (parteilos) in einem Erinnerungsschreiben nun noch einmal "eindringlich um eine Aussage gebeten", sagte Unterschleißheims Bürgermeister Christoph Böck (SPD) kürzlich im Stadtrat zum Verfahrensstand.

Den Winterdienst erledigen die Unterschleißheimer

Der SZ sagte Thaler auf Anfrage, angesichts der realen Lebenswelt am Geflügelhof sei der Ansatz "nicht ganz aus der Luft gegriffen". Die Kinder der Siedlung besuchen die Kindertagesstätten in Unterschleißheim, der Winterdienst auf den Straßen wird von den Unterschleißheimer Stadtwerken erledigt, der S-Bahnhof Lohhof ist nah und angesichts der fußläufigen Nähe wird wohl jede Besorgung in Unterschleißheim getätigt.

Im nichtöffentlichen Umgemeindungsvertrag für Hollern hatte sich Unterschleißheim 1989 wohl verpflichtet, auch die Bewohner am Geflügelhof "wie Unterschleißheimer Bürger zu behandeln". Der Antrag von 2013 knüpfte daran an und nannte die Eingemeindung "nur folgerichtig".

Allerdings würde diese Neuordnung auch eine völlig neue Dimension in der Nachbarschaft einläuten. Denn historisch war stets die B 13 die Grenze zwischen den Kommunen und an der Stelle auch zwischen den Landkreisen München und Freising. So kam es überhaupt auch erst zur Eingemeindung von Hollern, für die sich seinerzeit in einer Abstimmung 60 Prozent der Bewohner der Siedlung ausgesprochen hatten.

Die Bundesstraße, die zuvor westlich an Hollern und am Geflügelhof vorbei geführt hatte, war in den Achtzigerjahren auf die östliche Seite von Hollern verlegt worden. Die B 13 als Grenze zu belassen, hieß damals, Hollern an Unterschleißheim zu übergeben, was nach einem Gemeinderatsbeschluss in Eching vom Oktober 1989 im Jahr 1990 vollzogen wurde.

Der Geflügelhof blieb aber auch nach der Verlegung östlich der Straße, sodass eine Eingemeindung nun ein Ausgreifen Unterschleißheims über diese historische Grenze bedeuten würde.

Offen wäre auch noch der Umgriff einer möglichen Gebietsabtretung. Soll nur die Siedlung zu Unterschleißheim geschlagen werden? Oder weitere Entwicklungsmöglichkeiten? Unterschleißheim ist mit knapp 15 Quadratkilometern nicht einmal halb so groß wie Eching mit 37 Quadratkilometern, hat aber mit 30 000 Einwohnern mehr als doppelt so viele wie Eching mit seinen 14 000 Einwohnern. Auch die paar Hollerner Häuschen, die 1990 eingemeindet wurden, sind längst mit dem vormaligen Nachbarort, dem Unterschleißheimer Stadtteil Lohhof verschmolzen, jeder verfügbare Quadratmeter bis zur B 13 ist zugebaut.

1936 entstand die Geflügelzuchtanstalt

Der Echinger Bürgermeister warnt deshalb vor einem möglichen Hunger des Nachbarn nach Land. Wenn man nicht aufpasse, "dann wachsen wir irgendwann mal zusammen". Mit Hollern, wo sich zwischenzeitlich Microsoft angesiedelt hatte, sei Eching offenkundig auch "ein Stück Wirtschaftskraft verloren gegangen", sagt Thaler. "Eine Kompensation dafür gab es nicht wirklich."

Das historische Hollern sind zwei Bauernhöfe auf halbem Weg zwischen Eching und Lohhof, die als Güter Hollern immer noch zu Eching gehören. Zu Unterschleißheim kam 1990 nur die Siedlung, die seit den Zwanzigerjahren an der heutigen Bundesstraße entstanden war.

Die 1936 errichtete Geflügelzuchtanstalt südlich dieser Wohnsiedlung war ebenfalls nach Hollern benannt, obwohl sie von den Gütern mehr als zwei Kilometer Luftlinie entfernt liegt. In Unterscheidung zu den Gütern Hollern und dem Unterschleißheimer Hollern verwendet das Echinger Rathaus seit neuestem Geflügelhof als Benennung für den Ortsteil, in dem auch rege gebaut wird. Auf dem Areal der einstigen Geflügelzucht arbeitet heute die Gärtnerei Hollern des Heilpädagogischen Zentrums Augustinum mit behinderten Menschen.

Zwischen dem heutigen Unterschleißheimer Stadtteil Hollern und dem Geflügelhof liegt leicht versetzt der Hollerner See. Das gigantische Erholungsgebiet unmittelbar vor der Unterschleißheimer Stadtgrenze wird von den beiden Nachbarorten in einem kommunalen Zweckverband verwaltet, teilweise besitzen sie Grundstücke im Erholungsbereich gemeinsam. Mit einer Eingemeindung des Geflügelhofs würde Unterschleißheim auch näher an den See rücken oder je nach Umgriff der neuen Gliederung sogar Anlieger.

© SZ vom 14.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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