Frauenhaus:Zuflucht vor der Tyrannei im eigenen Heim

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Der Landkreis München eröffnet nach Jahren der Planung ein Frauenhaus für die Opfer sexueller und körperlicher Gewalt. Dort finden sie mit ihren Kindern Schutz - und Hilfe beim Aufbau einer neuen Perspektive.

Von Stefan Galler und Laura Zwerger , Landkreis

Die Zahlen sind alarmierend: Jede dritte Frau über 15 Jahre wird Opfer körperlicher, sexueller und psychischer Gewalt. Das ist das Ergebnis einer Studie der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) von 2014. In München und Umland wurden laut Statistik der Polizei im selben Jahr insgesamt 3141 Fälle häuslicher Gewalt verzeichnet, zehn Jahre zuvor beliefen sich die Anzeigen noch auf 1821 im Jahr. Damit sind die Fälle von häuslicher Gewalt um 72,5 Prozent in den letzen zehn Jahren angestiegen. Zwar liegt diese Steigerung laut Polizei auch an der detaillierteren Erfassung von Gewaltdelikten, dennoch wird die Dunkelziffer immer noch weitaus höher geschätzt.

Die hiesigen Kreispolitiker haben schon zuvor auf die besorgniserregende Tendenz im Bereich der häuslichen Gewalt reagiert: Sie stockten das Personal in der 2012 durch die damalige Landrätin Johanna Rumschöttel (SPD) geschaffenen Interventionsstelle des Landkreises München (ILM) auf und griffen den bereits 2010 gefassten Beschluss wieder auf, ein Frauenhaus einzurichten.

Wo die Einrichtung steht bleibt streng geheim

Nach Jahren der Vorbereitung und der lange Zeit erfolglosen Suche nach einem geeigneten Objekt ist es nun so weit: Anfang April eröffnet in einer Kommune des Landkreises, die in der Öffentlichkeit nicht genannt wird, das erste Frauenhaus im Landkreis. In dem Haus sollen insgesamt sieben betroffene Frauen sowie deren Kinder kurzfristig eine vorübergehende Bleibe finden können. Wie lange die Frauen dort Schutz suchen, ist je nach Situation unterschiedlich, eine Übergangszeit von sechs Wochen wird aber im Regelfall angesetzt.

Nachdem man ursprünglich vorgehabt hatte, das Frauenhaus in einem angemieteten Gebäude einzurichten und sich diese Pläne zerschlagen hatten, entschlossen sich die Kreisgremien, einen Neubau zu errichten. Als Betreiber wurde der Sozialdienst katholischer Frauen München (SkF) gewonnen. Der Sozialdienst hilft bereits seit 1899 in Not geratenen Frauen, im vergangenen Jahr haben 30 spezialisierte Abteilungen mehr als 3500 Frauen betreut und 6500 Beratungsgespräche geführt.

Die Frauen müssen häufig alles aufgeben

In Bayern können Frauen seit mehr als 35 Jahren Schutz in einem Frauenhaus suchen. Diesen Einrichtungen kommt dabei eine große Bedeutung zu, denn sie sind die sichere Anlaufstelle für Frauen, denen in ihrem angestammten Heim oftmals sogar Gefahr für Leib und Leben droht. Um der Tyrannei zu Hause zu entgehen, seien sie nicht selten dazu gezwungen, alles aufzugeben: Nicht nur das familiäre Umfeld, sondern auch den Freundeskreis und die finanzielle Absicherung.

Das sagt eine Sozialpädagogin, die in einem Frauenhaus in der Region München arbeitet. Sie möchte anonym bleiben, um größtmöglichen Schutz zu gewährleisten. Denn die Frauen müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Zuflucht nicht öffentlich in Erfahrung gebracht werden kann. Männer haben in Frauenhäusern im Normalfall keinen Zutritt, auch Besuch ist nicht erlaubt.

Der Verein Frauenhauskoordinierung setzt sich deutschlandweit für den Abbau von Gewalt gegenüber Frauen und für die Verbesserung der Hilfen für misshandelte Frauen und deren Kinder ein. Eine im Jahr 2014 veröffentlichte Statistik des Vereins zeigt, dass hauptsächlich Frauen im Alter von 20 bis 50 Jahren Opfer von häuslicher Gewalt werden. Dabei wurden 49,7 Prozent von ihrem Ehemann und 28,4 Prozent von ihrem Freund oder Lebenspartner misshandelt.

Die Betreuer beraten die Schutzsuchenden auch

Frauenhäuser bieten aber nicht nur Schutz, sondern die Betreuer der Einrichtungen stehen auch beratend an der Seite der Frauen. Häufig müssen neue Lebensperspektiven entwickelt werden und es bedarf anfangs teils finanzieller und sozialer Unterstützung. Hier können erste Anlaufhilfen im Frauenhaus gegeben und Kontakte zu spezialisierten Hilfsangeboten vermittelt werden.

Auch müssen sich die betroffenen Frauen womöglich zu rechtlichen Schritten wie einem Platzverweis oder Kontaktverbot durch die Polizei entscheiden, um dann in ein neues Leben außerhalb des Frauenhauses finden zu können. Auch hierbei helfen die Sozialbetreuer und vermitteln an die Polizei, welche im Gesamtgebiet München laut dem aktuellsten Sicherheitsreport von 2014 insgesamt 1114 Platzverweise und 1140 Kontaktverbote auf Grund von häuslicher Gewalt verhängt hat.

© SZ vom 04.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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