BND-Zentrale:Geheimnisse im Bild

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Die Fotografin Alessandra Schellnegger präsentiert in ihrer Ausstellung "Einblicke. Hinter den Mauern des BND in Pullach" Eindrücke aus einer sonst nicht zugänglichen Welt.

Von Jürgen Wolfram, Pullach

Eine besonders lustige Baracke der westlichen Welt ist der Bundesnachrichtendienst nie gewesen. Zu Zeiten des Kalten Krieges zeigte er allen, die sich ihm räumlich zu sehr näherten, sogar ein ausgesprochen grimmiges Gesicht. Ältere Pullacher wie Erwin Deprosse erinnern sich noch gut daran. Der ehemalige Kommunalbeamte hatte einst die Aufgabe, in der BND-Kantine Lebensmittel zu kontrollieren. Als er zu diesem Zweck in das 70-Hektar-Gelände an der Heilmannstraße hineinradelte, ohne am Eingang in einen wartenden Wagen des Dienstes umzusteigen, hätte er fast eine Behördenkrise ausgelöst. Die Heimlichkeitshysterie soll zeitweise so weit gegangen sein, dass Wachhabende bunte Luftballons abschossen, die von einem Fest herübergeweht kamen.

Anekdoten dieser Art machen bis heute die Runde im Süden von München. Je mehr sich die Auslandsaufklärer abkapselten, sich als Ministaat im Staate gerierten, desto farbiger gerieten die Kolportagen. Spätere, Öffnung verheißende Gegenmaßnahmen wie die Herausgabe eines Kochbuchs ("Topf secret") im Jahr 2002 vermochten daran wenig zu ändern.

Ein besonders einladendes Ambiente bot der BND hinter Mauer und Stacheldraht nie. Die Pressefotografin Alessandra Schellnegger jedenfalls hatte "anderes erwartet", als sie im Schlepptau schreibender Kollegen die Gelegenheit bekam, den museal-morbiden Charme der Immobilien und kuriose Gegenstände dieser Parallelwelt einzufangen. Schellnegger verbrachte einen regnerischen Samstagsnachmittag auf dem Gelände, fürsorglich begleitet von einem Aufpasser aus der BND-Presseabteilung. Ihr ist dennoch eine aussagekräftige, atmosphärisch dichte Dokumentation gelungen. Zu sehen ist sie als Entree zur Ausstellung "No secrets - Bilder der Überwachung", die bis zum 16. Juli im Münchner Stadtmuseum läuft.

Die Bilderschau der freien, SZ-Lesern wohlbekannten Fotografin trägt den Titel "Einblicke. Hinter den Mauern des BND in Pullach". Sie könnte ebenso gut "Bonjour tristesse" heißen, so abgetakelt präsentiert sich in Pullach ein Geheimdienst, der seit Jahren dabei ist, den Großteil seiner Abteilungen nach Berlin zu verlagern. Dabei ist am Isarhochufer vieles noch in Betrieb, wie etwa eine Schießanlage oder ein Kinosaal, der weniger der Unterhaltung, als der Ausbildung von Agenten dient. Schellnegger entdeckte bei ihrem Streifzug einen ehemaligen Archivraum, den finsteren Fußgängertunnel unter der Heilmannstraße, eine einsame gelbe Telefonzelle, angestaubte Kunstwerke in ensemblegeschützten Gebäuden. Fast schon rührend: Prospekte, die den BND-Mitarbeitern das Leben im Berliner Umland schmackhaft machen sollen.

Zweifellos würden sich all diese skurrilen Details besser zu einem plausiblen Geschehen runden, wären denn Menschen zu sehen. Aber welcher Spion lässt sich schon fotografieren? Ein Problem, mit dem schon das Duo Martin Schlüter/Klaus Honnef zu kämpfen hatte, als es an seinem viel beachteten Buch "Nachts schlafen die Spione. Letzte Ansichten des BND in Pullach" arbeitete.

Schellnegger bezeichnete es jetzt bei einem "Künstlergespräch" im Forum des Stadtmuseums dennoch als "Highlight", im Schattenreich der Spionage auf die Fotopirsch zu gehen. Das Publikum, das sich zu einem Gutteil aus Pullacher Bürgern zusammensetzte, mochte ihr da nur zustimmen, ebenso wie die stellvertretende Kuratorin Josepha Brich. 100 Aufnahmen hat Schellnegger nach wenigen Stunden BND-Bummel beisammen gehabt. Das ist mehr, als in einer Zusatzausstellung unterzubringen wäre. Sie löst das Problem, indem sie nicht nur die Forumswände mit Bildern unterschiedlicher Formate bestückt, sondern zudem ein Fotoalbum auflegt.

"Im James-Bond-Film sieht alles etwas anders aus"

Die Kladde mit Stoffeinband stammt von einem Trödler und erinnert ebenso wie viele Schnappschüsse trefflich daran, dass die Pullacher Heimstatt der Schlapphüte eine lange (Vor-)Geschichte hat. NS-Mustersiedlung "Sonnenwinkel", Rudolf Hess, Martin Bormann, US-Zensurbehörde, Organisation Gehlen - das sind Stichworte, die Historiker zu längeren Abhandlungen animieren. Erinnerungen einer Ausstellungsbesucherin, die in der Siedlung gelebt hat, setzten beim Künstlergespräch einen Akzent der Authentizität.

Die beiden Reporter, mit denen Schellnegger vor ihrer ersten großen Einzelausstellung unterwegs gewesen ist, ließen sich übrigens zur Feststellung hinreißen, der BND kämpfe gegen vieles, aber vor allem um seinen Ruf. Ob sie damit auf verpatzte Operationen oder auf die legendäre Humorlosigkeit dieser sehr speziellen Bundesbehörde anspielen, ist nicht bekannt. Ähnlich wie die Fotos von Schellnegger zeigen sie in ihrer Story aber überzeugend auf, wie unspektakulär, um nicht zu sagen: spießig es in Wahrheit bei den Geheimen zugeht. Schon die zwölfte Klasse eines Gymnasiums resümierte nach einem Ausstellungsbesuch im Stadtmuseum: "Im James-Bond-Film sieht alles etwas anders aus." Kann man wohl sagen.

© SZ vom 15.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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