Das Ende einer Legende:Finaler Boxenstopp

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Ein letztes Mal drehten die Kartfahrer bei ihren Klubmeisterschaften in Garching ihre Runden. Die Anlage wird Ende des Jahres dicht gemacht, BMW baut hier einen Parkplatz. Wehmut war auf und an der Strecke allgegenwärtig

Von Christina Jackson, Garching

Klaus Schülers Geheimnis für entspannte Abende misst 851 Meter und liegt im Gewerbegebiet in Garching-Hochbrück. Meist war er dort unter Flutlicht unterwegs, wenn nur noch Erwachsene ihre Runden drehten. Doch damit ist es vorbei. Der Landkreis ist seit dem Wochenende motorsport-freie Zone.

Die Outdoor-Kartbahn mit dem Namen AK Racing, die in den Sechzigerjahren in Garching-Hochbrück gebaut wurde, ist nun ein Stück Sportgeschichte, eine Ort mit viel Renommee - viele sagen gar eine Legende. 851 Meter, die Besucher und Klubmitglieder gleichermaßen begeisterten und sogar den ein oder anderen Star hervorbrachten.

Klaus Schüler erinnert sich: "Ein Bekannter hat mir davon erzählt. Nach dem ersten Besuch war ich überzeugt." Es war also der Zufall, der ihn hierher brachte. Der 69-Jährige arbeitete damals in einer Druckerei. "Es gab viele stressige Tage. Aber auf der Rennstrecke bin ich allen Sorgen davongefahren." 17 Jahre hat er sein Hobby in Garching gepflegt. In dieser Zeit fuhr er bei vielen Klubmeisterschaften mit und zerschliss sechs Karts.

BMW übernimmt und baut einen riesigen Parplatz

Jetzt musste er sich von seinem liebsten Ort in Garching verabschieden. Denn die Kartbahn im Stadtteil Hochbrück schließt Ende des Jahres. Der Grundbesitzer hat den Pachtvertrag gekündigt. Sofern das Wetter mitspielt, soll der Betrieb noch bis Mitte November aufrechterhalten werden. Und ein neuer Pächter mit noch viel größerer Motorsporttradition steht schon bereit: Der Automobilkonzern BMW will auf dem 20 000 Quadratmeter großen Gelände Stell- und Montageplätze für seine Fahrzeuge schaffen. Besser gesagt: Er baut einen riesigen Parkplatz.

Nach den Rennen trafen sich alle noch einmal in der Boxengasse. (Foto: Florian Peljak)

Derweil denkt Kartbahn-Betreiber Peter Wendl gar nicht ans Aufhören und sucht nach einem neuen Gelände für seinen Sport. "Wir benötigen eine Fläche mit mindestens 25 000 Quadratmetern Nutzfläche." Eine Suche, die insbesondere wegen der hohen Auflagen der Kommunen in der Region schwierig ist. Der Rennsport ist mit Lärm und Abgasen verbunden, Anwohner bevorzugen ruhige Nachbarn.

Dabei steht für Wendl fest: "Der Kartsport ist die beste Verkehrserziehung". Er ist sich sicher, dass Jugendliche, die sich auf seiner Rennbahn austoben, selten als Verkehrssünder auffallen. Auch Schüler sagt: "Auf der Kartbahn muss jeder mit voller Konzentration vorausschauend fahren. Das ist eine hervorragende Übung, die den Menschen ins Gleichgewicht bringt."

Am Anfang gab es nicht einmal eine öffentliche Genehmigung

Auf der Garchinger Strecke kennt Martin Tomczyk jeden Stein. Seit seinem elften Lebensjahr dreht der Sportler auf der Kartbahn seine Runden. Aus dem Hobby hat er seinen Beruf gemacht. Tomczyk wechselte 1998 in den Formelsport. Er kennt den Nürburgring und den Hockenheimring und hat international Erfolge gefeiert. In der portugiesischen Formel BMW gewann er Ende der Neunzigerjahre den Titel. Mit Wehmut nahm er jetzt in Garching an der letzten Vereinsmeisterschaft teil. "Es ist ein trauriges Ereignis. Aber die Erinnerung an meine ersten Stunden im Motorsport nehme ich mit."

An die ersten Tage der Kartbahn erinnerte Andreas Ecker am Rande des Wettkampfgeschehens. Als Vorsitzender des Kart-Clubs München hat er die Veränderungen in Garching mit besonderen Interesse verfolgt. "Als die Bahn 1962 gebaut wurde, gab es nicht einmal eine öffentliche Genehmigung. Die Enthusiasten der ersten Stunde haben einfach losgelegt." Damals kam der Sport in Deutschland als US-Import auf.

Mit den Wettkampfstandards hatte der Garchinger Standort nichts zu tun. Lediglich 410 Meter lang war die Rennstrecke in den Sechzigerjahren. Im Lauf der Zeit wurde die Bahn kontinuierlich erweitert. "Es ist eine anspruchsvolle Strecke, die aber an die internationalen Wettkampfstandards nicht herankommt", sagt Ecker Dafür benötigten die Fahrer längere Geraden, breitere Trassen und mehr Auslaufzonen. Ein Grund, warum er "mit einem lachenden und einem weinenden Auge" dem Ende der Garchinger Rennsport-Ära entgegenblickt.

Ein letztes Mal schraubten und polierten die Klubmitglieder vor den Garagen in Garching ihre Rennkarts, die bis zu 150 Stundenkilometer schnell fahren können. Im Rennbüro, einem turmhohen Gebäude an der Strecke überwachte der Wettkampfleiter über den regelkonformen Ablauf des Geschehens. Im umliegenden Gewerbegebiet bestaunten die Besucher die richtigen Flitzer des Straßenverkehrs. Selten hatten sie die Gelegenheit, so viele Porsche-Typen auf den Parkflächen zu sehen.

© SZ vom 02.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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