Chinesisches Neujahrsfest:Spontanparty mit Erd-Schwein

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Bei einem traditionellen Neujahrsfest in der Hachinga-Halle präsentieren im Landkreis lebende Chinesen ihre Kultur. Organisiert hat es die Unterhachingerin Wenping Tang mit Unterstützung der SPD-Gemeinderätin Inci Ahmad

Von Helena Ott, Unterhaching

Wenn sich die Deutschen schon mit 2019 arrangiert haben, die Jahreszahl nicht mehr falsch neben ihre Unterschrift setzen, fängt für die Chinesen das neue Jahr gerade erst an. Rund 1400 chinesische Staatsbürger leben im Münchner Landkreis, viele von ihnen arbeiten bei Infineon oder Siemens. Nach dem chinesischen Mondkalender beginnt an diesem Dienstag das Jahr des Erd-Schweins. Für die Unterhachingerin Wenping Tang ein Grund, zu einem großen Fest einzuladen. Die gebürtige Chinesin hatte den Wunsch, in einer großen Gemeinschaft den Jahreswechsel zu feiern. Bei einem Fest, bei dem die chinesischen Familien sich gegenseitig kennenlernen können, aber auch ihre Kultur den Einheimischen näherbringen und Kontakte mit ihnen knüpfen.

Aus dieser Idee wurde ein Neujahrsfest in der Hachinga-Halle mit traditionellem Tanz, asiatischen Instrumenten, Büfett und Kinderprogramm. Eingeladen waren nicht nur chinesische Familien, sondern auch Erzieherinnen von Kindergärten, Gemeinderatsmitglieder und Familien aus der Türkei, Ungarn und Thailand. Wenping Tang war die Idee sehr kurzfristig gekommen, Mitte Januar. Es hielt die 55-Jährige nicht davon ab, sie noch in diesem Jahr in die Tat umzusetzen. Die 200 Gäste zeigen: Die Festgemeinde ist ebenfalls spontan. Einige der Besucher, die am Sonntag in die Hachinga-Halle gekommen sind, haben Schalen mit selbstgemachtem Essen dabei. Bald sind alle Plätze belegt, die Kinder wuseln um die Sitzgruppen herum und testen Zaubersprüche, die ihr erwachsenes Vorbild im Kinderprogramm vorgeführt hat.

Inci Ahmad, Gemeinderätin für die SPD in Unterhaching, hat Tang bei ihrem Vorhaben unterstützt. Die 67-Jährige hat die Erlaubnis eingeholt, die Hachinga-Halle zu nutzen, und beim Vorbereiten geholfen. Um 10 Uhr waren die beiden Frauen am Sonntagmorgen schon in der leeren Halle um sie mit roten Luftballons, Lampions und chinesischen Spruchbändern zu dekorieren und Tischinseln für die Gästezusammenzuschieben. "Ohne Frau Ahmad könnten wir alle nicht hier sein, wir sind ihr sehr dankbar", betont Wenping Tang mehrmals in ihrer Moderation.

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(Foto: Claus Schunk)

Chinesen seien gegenüber Fremden zurückhaltend, sagt die Organisatorin des Neujahrsfestes.

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(Foto: Claus Schunk)

Doch am Sonntag präsentieren viele Einzelpersonen und Gruppen in der Hachinga-Halle Teile ihrer chinesischen Tradition.

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(Foto: Claus Schunk)

Die Kleinen schauen zu.

Wenping Tang und Inci Ahmad (von links) haben in zwei Wochen ein interkulturelles Fest für 200 Gäste vorbereitet.

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(Foto: Claus Schunk)

Besucher folgen den meditativen Bewegungen der Thai-Chi-Tänzerin,...

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(Foto: Claus Schunk)

...hören einen Kurzvortrag über chinesische Medizin...

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(Foto: Claus Schunk)

...und bewundern die prachtvolle Tracht der Tänzerin für chinesischen Volkstanz.

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(Foto: Claus Schunk)

Ein farbenprächtiges Erlebnis.

Gegen Mittag haben die beiden Frauen die Halle für Besucher geöffnet. Viele Frauen tragen rote Pullover - das soll an Neujahr Glück bringen. Einzelne sind in eleganten Kleidern aus Seide und Satin gekommen. Bei den Männern sind die schimmernden Gewänder mit gelben Drachen verziert, bei den Frauen sind es Kirschblüten, Phönixe oder Lotusblumen. An einem Ende der Halle ist das Büfett aufgebaut. Reisnudeln, Sprossen, frittiertes Hünchen und Sushi, aber auch türkische und ungarische Spezialitäten und Kartoffelsalat - zehn Tische braucht es, um die Köstlichkeiten aufzureihen. In China treffen sich in den kommenden Tagen Familien und Freunde zum gemeinsamen Festessen und feiern. Dann sind auf Chinas verstopften Straßen noch mehr Autos und Busse unterwegs als sonst.

Die Gäste in der Hachinga-Halle haben meist einen kurzen Anreiseweg. Yan Zhu wohnt in Neubiberg und hat gleich noch 30 ihrer chinesischen Bekannten Bescheid gesagt. Zhu trägt ein Gewand in Dunkelrot und Schwarz mit Kordelschlaufen statt Knöpfen. "Nur wenn man sich tief kennenlernt, hat man die Chance, einander zu verstehen und eine herzliche Beziehung aufzubauen", sagt sie. Mehr als 20 Jahre lebt die 56-Jährige schon in Deutschland. Ihre heimische Kultur hat sie fest in ihren Alltag integriert. Sie ist Buddhistin, jeden Abend setzt sie sich über eine Stunde an einen ruhigen Fleck im Haus und meditiert. "Mit der Meditation reinige ich mich und fülle mich mit guter Energie", sagt Zhu. Das Meditieren helfe ihr dabei, nicht böse, sondern stets liebevoll über andere Menschen zu denken.

Normalerweise, so sagt es die Veranstalterin Wenping Tang, seien Chinesen eher zurückhaltend im Kontakt mit Fremden. "Das heute so viele Menschen ehrenamtlich auftreten, soll zeigen, dass wir uns öffnen möchten", sagt Tang. "Und natürlich, dass unsere Kultur spannend ist." Als Tang die Moderation für das Programm beginnt, wird es still im Saal.

Auch die vielen Kinder finden einen Platz auf dem Parkett, nah an der Bühne. Manche ahmen die Bewegungen nach. Spreizen wie die thailändische Tänzerin die Finger nach außen und imitieren die fließenden Bewegungen. Das große goldene Collier und der glitzernde Haarschmuck reflektieren das Licht der Strahler im Saal. Die nächste Tänzerin schwingt zwei große Fächer mit langen Seidentüchern. In Wellen führt sie die sanft wehenden Bahnen an ihrem Kopf vorbei, sodass sich die Tücher nicht berühren. Das Licht geht aus, und sie ersetzt die Fächer gegen leuchtende Bälle an langen Kordeln. Sie zeichnet große Leuchtschweife in allen Farben in den Saal. Ihre Choreografie könnte so auch bei einem Elektrofestival zu sehen sein.

Die Schwertkämpferin hat ihre beiden gebogenen Schwerter wegen der vielen Kinder zuhause gelassen. In violettem Seidenanzug zeigt sie einen Thai-Chi-Tanz. Lautlos platziert sie kraftvolle Schritte, Beinbeugen auf dem Parkett. Den Kopf meist in einer geraden Linie mit Brust, Bauch und Steißbein. Auch mehrere musikalische Kostproben hat Wenping Tang ins Programm eingebaut. Ein Flötist spielt ein Solo, danach tritt eine Frau mit einem Seiteninstrument auf, ähnlich einem Hackbrett. Die Schläger, mit denen sie die Saiten schlägt, sehen aus wie Getreideähren.

Alle im Saal, die kein Mandarin sprechen, können den Frauenchor, der als nächstes auftritt, zwar nicht verstehen, aber man hört an der hellen, schnellen Farbmelodie, dass es freudige Lieder sind, die zur Begrüßung des neuen Jahrs angestimmt werden. Die Begleitung am Keyboard sieht auf ihren Notenhalter, statt fünf Zeilen und Notenschlüssel, finden sich hier aneinandergereihte Schriftzeichen.

Zum Ende tritt eine Frauentanzgruppe in weißen, hellroten Seidengewändern auf. Mit sanften Schwüngen führen sie die flache Hand am Gesicht vorbei, balancieren auf Fußspitzen und Fersen und ziehen mit den Armen weite Kreise um ihren Körper. Inci Ahmad und Wenping Tang, die sich erst durch die Vorbereitung kennengelernt haben, schließen sich in die Arme. "Wir haben sehr schön zusammen gefeiert", sagt die gebürtige Türkin Ahmad. "Es leben so viele Chinesen hier, heute hatten wir die Chance, sie kennenzulernen." Wenping Tang hat den Spagat geschafft. Eine zurückhaltende Kultur einem großen Publikum zu zeigen und eine Atmosphäre zu schaffen, in der man sich nahe kommt.

© SZ vom 05.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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