Bundestagswahl 2017:Der Links-Rutsch

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Nur 60 Mitglieder haben die Linken im Landkreis und nicht mal ein Büro. Dafür aber von diesem Dienstag an eine Abgeordnete im Bundestag: Eva Schreiber. Die will nun auch die örtlichen Strukturen zügig ausbauen.

Von Sabine Wejsada, Landkreis

Mittlerweile glaubt sie es auch selbst: "Ich bin im Bundestag." Eva Schreiber, die Kandidatin der Linken im Landkreis München, war ziemlich sprachlos, als sie vor vier Wochen, am Montag nach der Bundestagswahl, erfuhr, dass sie über die Landesliste ihrer Partei ein Ticket nach Berlin gelöst hatte. Und das ist für die 59-jährige Ethnologin aus München-Allach, die bislang freiberuflich unterrichtet hat und allein schon deshalb redegewandt sein muss, eine neue Erfahrung gewesen: Schlichtweg baff zu sein, weil etwas geschehen ist, womit sie selbst nicht in ihren kühnsten Träumen gerechnet hatte.

Schreiber ist eine von vielen neuen Abgeordneten im Bundestag, dessen insgesamt 709 Parlamentarier an diesem Dienstag erstmals zusammentreten. Und sie ist eine von fünf Abgeordneten, die aus dem Wahlkreis München-Land stammen: nach dem direkt wiedergewählten CSU-Abgeordneten Florian Hahn, Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter, FDP-Rückkehrer Jimmy Schulz und Gerald Otten von der AfD - wie Schreiber ein Neuling im Bundestag. Von den Kandidaten der sechs im Bundestag vertretenen Parteien hatte es im Landkreis am 24. September nur Bela Bach von der SPD nicht geschafft.

Vier Wochen nach der Wahl haben sich bei Schreiber Überraschung und Freude wegen des Einzugs in den Bundestag etwas gesetzt. "Auch wenn es sich manchmal nicht real anfühlt", wie die Wahl-Münchnerin einräumt. Aber: Berlin kann kommen. Oder eher andersherum: Schreiber kommt - und hat sich in der Hauptstadt schon eingerichtet. In Lichtenberg hat sie ganz schnell eine kleine Wohnung gefunden, die nur 20 Minuten mit der S-Bahn vom Reichstag entfernt liegt. Der Empfang bei der Berliner Linken sei herzlich gewesen, sagt Schreiber. Einen angenehmen Nebeneffekt habe ihr künftiger Wirkungskreis darüber hinaus: In Berlin wohne eine alte Freundin, die sie seit 18 Jahren nicht mehr gesehen hat.

"Ich bin neugierig auf das, was kommt."

Ihr vorläufiger Abgeordnetenausweis, den sie in der Woche nach der Wahl erhielt, ist mittlerweile für die ganze Legislaturperiode gültig, seitdem am 12. Oktober das amtliche Endergebnis feststand und sicher war, dass sich bei den Stimmen für die Linke und Schreiber niemand verzählt hatte. Mitarbeiter hat die Bundestags-Novizin ebenfalls schon gefunden. Ihr Abgeordnetenbüro liegt an der begehrten Adresse Unter den Linden. "Wenn's schnell gehen muss, dann nehme ich das Fahrrad, um in den Reichstag zu kommen", sagt sie.

Alles in allem haben sich die ersten Tage in Berlin als sehr angenehm herausgestellt. "Das Wichtigste, Wohnung und Mitarbeiter, ist erledigt." Jetzt kann die Arbeit im Parlament losgehen.

Erwartungsvoll schaut Eva Schreiber auf die konstituierende Sitzung an diesem Dienstag: "Das wird spannend." Genau wie die nächsten vier Jahre. "Ich bin neugierig auf das, was kommt." Ihr Mann sei das ebenfalls. "Für uns beginnt jetzt ein neues Kapitel." Gefragt nach den Bundestagsausschüssen, in denen sie gern mitarbeiten würde, muss die Linke nicht lange überlegen: Umwelt, Entwicklungspolitik, Menschenrechte. Das passe gut zu ihrem Studium der Ethnologie, der interkulturellen Kommunikation und Religionswissenschaften. Besonders erfreut ist Eva Schreiber darüber, dass sie als neue Abgeordnete bereits die erste Anfrage aus dem Landkreis München erreicht hat - und zwar von Schülern. "Einfach toll, dass sich eine Schulklasse aus Ottobrunn für das Angebot eines Berlin-Besuchs beworben hat." Gerade politische Bildung ist ihr wichtig.

Im Landkreis regelmäßig präsent sein

Vorgenommen hat sie sich für sich und ihre Partei noch eins: "Wir wollen im Landkreis München sichtbar und überall regelmäßig präsent sein." Sie ist seit 2010 bei der Linken, hat 2014 das Amt der Kreissprecherin übernommen und gehört seit 2016 dem Landesvorstand an. Der Kreisverband der Linken umfasst bislang die Stadt München mit ihren 25 Bezirken und die 29 Kommunen im Landkreis München. Ideen, wo zukünftig ihr Wahlkreisbüro sein soll, hat Eva Schreiber bereits: "Grünwald wird es nicht, das ist FDP-Land, denkbare Standorte sind Unterschleißheim oder Unterhaching." In beiden Gemeinden kam die Linke auf etwa sechs Prozent, landkreisweit waren es 5,09 Prozent - das entspricht 9999 Stimmen. Schreiber selbst erhielt 3,93 Prozent der Erststimmen. Mitstreiter für die Mission Landkreis München hat die Bundestagsabgeordnete bereits gefunden. "Die Gruppe, die mir im Wahlkampf geholfen hat, findet Gefallen an der Arbeit", sagt Schreiber. Nun gilt es, die Zahl der Mitglieder zu erhöhen. Bei den gut 60 Linken soll es nicht bleiben.

© SZ vom 24.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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