Bürgerentscheid:Oben drüber ist unten durch

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Am Bahnübergang in Oberschleißheim ging am Freitagnachmittag für Stunden nichts mehr. (Foto: Catherina Hess)

Die Oberschleißheimer stimmen am Sonntag darüber ab, ob die Gemeinde sich für eine Unterführung der Bundesstraße 471 unter den Gleisen einsetzen soll. Von dem bisher favorisierten Bahntunnel sind inzwischen fast alle abgerückt.

Von Klaus Bachhuber, Oberschleißheim

Die Oberschleißheimer sind am Sonntag parallel zur Europawahl zum Bürgerentscheid aufgerufen. Diskutiert wird vor dem Urnengang am Sonntag die Frage, ob eine Straßenunterführung der Bundesstraße 471 unter die Bahn gebaut werden soll. Das aber läge gar nicht in der Hand der Gemeinde und damit auch nicht in der Kompetenz eines Bürgerentscheids. Deshalb würde das von Mitgliedern der Freien Wähler gestartete Bürgerbegehren - wenn es denn bei der Abstimmung am Sonntag angenommen wird - die Gemeinde nur dazu verpflichten, "unverzüglich die Beseitigung der höhengleichen Eisenbahnkreuzung mittels einer Straßenunterführung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln einzufordern".

Bisher galt der Umkehrschluss: Weil der Gemeinderat mit einer großen Mehrheit von SPD, CSU, Grünen und FDP die Unterführung ablehnt, haben die staatliche Bundesstraßenverwaltung und das Eisenbahnbundesamt derartige Pläne nicht auf der Agenda. Der aktuellste öffentlich zugängliche Plan für eine Straßenunterführung datiert aus dem Jahr 2000, was wohl eher nicht mehr den Anforderungen heutigen Verkehrsaufkommens entspräche. Auch Kosten sind nicht ansatzweise zu beziffern. Und so war eine zentrale Frage in der Diskussion vor dem Bürgerentscheid auch, wie denn das Unterführungsbauwerk wohl aussehen würde, eingeklemmt zwischen Bebauung nordwärts und dem denkmalgeschützten Schlosskanal südwärts.

Ausgehend von den 19 Jahre alten Plänen skizzierten die Unterführungsgegner ein "Monsterbauwerk", das allein durch die baulichen Zwänge eine kontraproduktive Verkehrswirkung entfalle: Weil die Zufahrt im Westen erst bei der St.-Hubertus-Straße wieder Oberflächenniveau erreiche, könne die B 471 nicht mehr an die Sonnen- und Feierabendstraße angebunden werden, Umwege durch den Ort würden so erst geschaffen.

Die Befürworter hingegen halten die Planungs-, Gestaltungs- und Kostenfragen für völlig nachrangig: Die Unterführung müsse her, planerisch werde sich das schon irgendwie lösen lassen. Der Dauerstau an der Bahnschranke blockiere permanent den Verkehr auf der Ost-West-Achse, verursache für die Anwohner unzumutbare Lärm- und Schadstoffbelastung und sei Auslöser für den Schleichverkehr durch viele Wohnsiedlungen.

In Oberschleißheim kreuzt die B 471, eine der meistbefahrenen Straßen des Freistaats, die Bahnlinie München-Landshut mit einem höhengleichen Bahnübergang. Aktuell ist in Stoßzeiten die Schranke länger geöffnet als geschlossen. Mit veränderten Anforderungen an die Signalsteuerung werden sich die Schließzeiten mittelfristig noch erhöhen. Seit 1992 ist es ausgewiesenes Planungsziel der Gemeinde Oberschleißheim, den Knoten durch eine Tieferlegung der Bahn unter die Straße aufzulösen. Ein Bürgerbegehren für die jetzt mit dem Bürgerbegehren wieder propagierte Straßenunterführung unter der Bahn scheiterte 2009 an der Konkurrenzvision des Bahntunnels. In der aktuellen Debatte wurde diese Lösung außer von der einschlägigen Bürgerinitiative "Bahn im Tunnel" allerdings von keiner Partei mehr aktiv verfochten.

Die Gegner der Straßenunterführung argumentieren nun überwiegend anders. Die Öffnung der Engstelle in der B 471 durch die Abschaffung des höhengleichen Bahnübergangs würde nach Ansicht von SPD, CSU, Grünen und FDP so viel Durchgangsverkehr in den Ort ziehen, dass alle Positiveffekte sofort verpuffen würden. Diese Einschätzung streiten die Initiatoren des Bürgerbegehrens ab. Für sie gilt als nicht ausgemacht, dass der Durchgangsverkehr überhaupt zunehmen würde, und wenn sei dieser Kollateralschaden der Verkehrsverbesserung unterzuordnen.

SPD und Grüne haben den Bahntunnel zuletzt überhaupt nicht mehr als Alternative in den Mund genommen. Die SPD setzt auf die Entlastungswirkung für den innerörtlichen Verkehr durch bereits eingeleitete Maßnahmen wie eine westliche Umgehungsstraße und die Ertüchtigung der Autobahnausfahrt der A 92 auf die B 471, die Grünen fordern ein Umdenken in der Mobilität anstelle weiterer Erleichterungen für den Kfz-Verkehr. Klar ist aber auch, dass der Verkehr stetig zunimmt und nichts geschieht. Ein Bahntunnel wird seit 30 Jahren nicht realisiert, an der Umgehungsstraße wird seit Jahren geplant. Und so ist als Subtext des Bürgerbegehrens auch eindeutig gemeint: Tut endlich was!

Beim Bürgerentscheid am Sonntag sind knapp 8000 Oberschleißheimer stimmberechtigt. Damit die Gemeinde zu Verhandlungen über eine Straßenunterführung verpflichtet wird, müssten mehr als 20 Prozent der Stimmberechtigten mit Ja stimmen und in absoluten Zahlen mehr für Ja als für Nein.

© SZ vom 24.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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