Brunnthal:Rennradler von allen Seiten abgewatscht

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Rennradler wollen auf der Straße fahren. In Brunnthal hält man das für gefährlich und will an der Benutzungspflicht für Radwege festhalten. (Foto: Catherina Hess)

Gemeinderatsmitglieder hören streitbarem Martin Glas nicht zu und verpassen das Wichtigste.

Von Michael Morosow, Brunnthal

Die Strecke von seinem Wohnort in München-Perlach bis zum Rathaus der Gemeinde Brunnthal hat Martin Glas mit seinem Rennrad bewältigt. 20 Kilometer sind ein Klacks für den Vorsitzenden des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), Kreisverband München. So steht auch keine Schweißperle auf seiner Stirn, als er den Sitzungssaal betritt. Der Rennradler soll jetzt gleich den Mitgliedern des Hauptausschusses erläutern dürfen, warum er seit Jahren gerichtlich gegen die Benutzungspflicht von Radwegen zu Felde zieht und nunmehr schon zum zweiten Mal die Gemeinde Brunnthal dazu zwingen will, die runden blauen Schilder mit dem weißen Fahrradsymbol zu entfernen. Vor zwei Jahren hatte die Gemeinde auf Anordnung des Verwaltungsgerichts München die Schilder am Radweg entlang der Kreisstraße von Otterloh nach Brunnthal abbauen müssen. Nunmehr soll dies auch auf der Strecke von Kirchstockach nach Brunnthal geschehen.

Mut kann man Martin Glas nun wirklich nicht absprechen. Aber was soll ihm schon geschehen, ist er doch auf Einladung von Bürgermeister Stefan Kern (CSU) gekommen. Als er nach circa einer Stunde den Ratssaal wieder verlässt, sieht man feuchten Glanz auf seiner Stirn, und der ADFC-Chef blickt drein, als sei es ihm gerade im letzten Moment gelungen zu entfleuchen, bevor er geteert und gefedert worden wäre.

"Recht ist das eine, Moral das andere."

Tatsächlich war über ihn ein Sturm der Entrüstung hinweggefegt. Quintessenz der Philippiken: Wenn Erwachsene mit dem Rennrad auf der Straße fahren, dann geben sie für Kinder das falsche Vorbild. Und auch wenn das Recht auf ihrer Seite ist, in Brunnthal wird nicht ein einziges blaues Radlerschild entfernt, basta. Helmut Vorleitner jun. (CSU) brachte die Haltung des Gemeinderats auf den Punkt: "Recht ist das eine, Moral das andere."

Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom Herbst 2010 dürfen Radfahrer nur dort zur Benutzung der Radwege gezwungen werden, wo das Fahren auf der Straße eine "konkrete Gefahr" bedeutet. Und auch was "konkrete Gefahr" bedeutet, legt die Gemeinde selbst fest: "Wir haben eine ganz konkrete Auffassung, wann eine Straße gefährlich ist und wann nicht", hatte Kern in seiner "kleinen Vorrede" erklärt. Danach hätte Glas das Wort ergreifen sollen, aber über recht viel mehr als die Feststellung, er sei alt genug, selbst zu entscheiden, wo er fahre, kam er nicht hinaus. Seine zweifellos bedeutende Erklärung, auf eine gerichtliche Fortsetzung verzichten zu wollen, wurde offenbar überhört, denn ehe er sich versah, befand er sich mitten in einem Kreuzverhör. "Wie kommt man auf eine solche Idee? Das ist mir unbegreiflich", sagte Peter Sachs (CSU). Weitere Kritiken folgten, und als dann auch noch die Besucher Gelegenheit bekamen, dem Radler die Leviten zu lesen, reichte es Heinz Breinlinger, der ebenfalls im Publikum saß. Breinlinger stellte sich demonstrativ hinter den "Angeklagten" und legte eine formidable Mediation hin. Dabei erinnerte er das Gremium an die Brücke, die Glas gebaut hatte, als er seinen Verzicht auf juristische Schritte erklärt habe. Und auch daran, dass der Radler eigentlich im Recht sei.

© SZ vom 04.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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