Freizeitsport:Die Stunde der Routenschrauber

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Die Hallen von Markus Grünebach und Dave Cato, denen auch die Bulderwelt im Kunstpark Ost gehört, sind nicht nur für Geübte gedacht. (Foto: Claus Schunk)

Im Gewerbegebiet Brunnthal-Nord entsteht eine Boulderwelt. Dank des Hygienekonzepts hoffen die Betreiber, am Halloween-Wochenende zu eröffnen - zumal Liquid Chalk offenbar das Virus killt.

Von Bernhard Lohr, Brunnthal

Es könnte eine gewöhnliche Baustelle sein. Einer dieser Orte, an denen kurz vor Eröffnung große Betriebsamkeit herrscht und die Baustellen-Musik durch das Aufheulen der Akkuschrauber unterbrochen wird. Doch in der weiten, hohen Halle im ersten Stock des Eugen-Sänger-Rings im Gewerbegebiet Brunnthal-Nord sind keine Handwerker zugange.

Junge, sportliche Frauen und Männer in T-Shirts mit der Aufschrift Boulderwelt-Crew verrichten vor allem ein kreatives Werk. Sie denken sich Kletteraufgaben aus und bringen grüne, pinke oder schwarze Griffe an steilen Wänden, Kuben und Überhängen an, die bald Trendsportler und ganze Familien anlocken soll. Sie erschaffen die Boulderwelt München-Süd.

Eine schöne neue Kletterwelt entsteht derzeit in Brunnthal. Einer der beiden Schöpfer ist Markus Grünebach. (Foto: Claus Schunk)

Mitten in dem Baustellen-Gewusel steht Markus Grünebach und telefoniert mit seinem Smartphone, bevor er durch die Welt führt, die er sich gemeinsam mit seinem kreativen Kompagnon Dave Cato ausgedacht hat. "Wir haben aktuell aus allen unseren Boulderwelten unsere Routenschrauber hier", sagt Grünebach, die "geballte Schrauberpower".

Dave Cato ist der zweite Teil des Gründer-Duos. (Foto: Claus Schunk)

Der 36-jährige hat in der High-East-Kletterhalle in Kirchheim mit dem Klettersport angefangen, war bayerischer Meister und studierte Sport an der TU München, als er sich vor etwa zehn Jahren aufmachte, das Indoor-Bouldern - also das Klettern in niedriger Höhe - aus den dunklen Ecken der Kletterhallen herauszuholen.

Vor einem Jahr eröffneten Grünebach und Cato die Boulderwelt München-Ost im Kunstpark-Ost neu in einem modernen Bau mit Fenstern bis zum Boden und durchgestyltem Gastrobereich im Alpinlook. Wer sich dort von Griff zu Griff in die Höhe arbeitet, kann vom fünften Stock über München schauen. In Brunnthal ist im Obergeschoss über einem Discounter und einem Drogeriemarkt bei einer durchgezogenen Fensterfront der Blick in die Weite frei.

Grünebach sieht sich und seine Boulderwelten als Vorreiter in Deutschland und Europa. Er nennt sich "Innovationstreiber". Seit er und Cato angefangen haben, hat sich auch viel getan. Halle um Halle sprießt aus dem Boden. Der Sport boomt als eine Art Ergänzung zum Fitnessstudio. Grünebach fühlt sich in Brunnthal-Nord gerade am rechten Ort, wo das Fitness-Studio Body & Soul ums Eck und die Jochen-Schweizer-Arena mit Indoor-Surfen und Body-Flying nicht weit ist.

Nach Grünebachs Vorstellung ist die Boulderwelt nicht nur ein Ort für Boulder-Cracks, sondern auch für weniger Geübte, die sich körperlich betätigen oder in angenehmer Umgebung Menschen treffen wollen. "Ein Drittel der Halle ist für Familien und Kinder ausgelegt."

Es gibt den Kinderbereich, in dem an den Wänden eine Alpenwelt mit Steinbock, Schaf und Kuh aufgemalt ist und wo für Eltern ein Bereich eingerichtet wird, in dem sie Kaffee trinken und ihren Kindern beim Klettern zuschauen können. In einer Mixed-Zone können sich Mutter oder Vater mit Sprössling gemeinsam in einen Parcours begeben und eine Route klettern.

In der großen Halle freilich sind etwa im sogenannten Creative-Lab anspruchsvolle Routen geschraubt, wobei weder dort noch in der Kinderwelt gefährliche Höhen erreicht werden. Seilsicherung ist nicht notwendig. Alles ist mit weichen Matten ausgelegt. Die Kunst der Profischrauber ist zum einen, Parcours in die Wand zu schrauben, die Lust aufs Klettern machen.

Kraft allein reicht nicht

Zum andern schrauben sie bestenfalls "ein Problem" in die Wand, wie es Julius Hamberger beschreibt, der Chefroutenschrauber der Boulderwelt München-West in Neuaubing. Er will Routen schaffen, bei denen man "mit Kraft nicht weiter kommt". Geschicklichkeit, Körperbeherrschung sei gefragt. Und ein Plan.

So darf jemand ruhig mal einen ersten Versuch abbrechen. Es gehört dazu, auf der Matte sitzend einen Parcours zu studieren und sich Strategien zu überlegen. "Man denkt nach und probiert es noch mal und noch mal", sagt Hamberger. Bis es dann endlich klappt.

Die Griffe und Tritte sind ganz unterschiedlich gestaltet, manche auch glatt, sodass man fast keinen Halt findet, nur an einer bestimmten Stelle. Manche Griffe sind echten Felsformen nachgebildet. Es gibt viel Stoff zum Bereden. Es sei ein kommunikativer Sport, sagt Markus Grünebach. So komme man mit anderen ins Gespräch. Man gebe sich Tipps, hole sich Rat.

Die Bandbreite der Boulder-Sportler ist offenbar groß. Es gibt natürlich die Champions, die Grünebach genauso wenig langweilen möchte wie die Kinder. Da sind die Leute, die morgens vor der Arbeit um 7 Uhr vorbeischauen und eine Runde bouldern, bevor es ins Büro geht.

Niedrigschwellig stellt sich Grünebach den Sport vor. Sportschuhe kann man ausleihen. Es gibt Einführungskurse und Hilfestellungen. Hinterher kann man eine Pizza essen oder einen Kaffee in dem mit viel Holz gestalteten Gastrobereich trinken, in dem Fotos mit Zuschreibungen wie "Silvretta" oder "Zillertal" den Besuchern Alpenflair vermitteln.

Während des Corona-Lockdowns waren die Boulderwelten geschlossen. Die Schraubercrews - die Parcours werden laufend verändert - waren in Kurzarbeit. Trotz der wieder aufflammenden Pandemie glaubt Grünebach mit einem 50-seitigen Hygienekonzept im Rücken an die Eröffnung am Wochenende 31. Oktober und 1. November. Dass das Liquid-Chalk, die flüssige Kreide, mit der sich die Sportler vorm Einstieg in einen Boulder die Hände einreiben, laut einer Studie das Virus killt, passt ins Bild.

Man sei bei dem Brunnthal-Projekt mit der Alma-Projektbau als Partner, von der die Halle gemietet wird, im Zeitplan geblieben, sagt Grünebach. Jetzt wolle man pünktlich loslegen. Eine Ampel auf der Boulderwelt-Homepage zeigt, wie gefüllt die Halle ist. Wer kommt, meldet sich an und legt los. Einführungsangebote sind am Eröffnungswochenende kostenlos.

© SZ vom 19.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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