Kreis und quer:Wehrlos gegen die Räuberbrut

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Wer unter Samhainophobie leidet, versucht an Halloween zu fliehen. Oder aber er muss sich dem Grusel-Fasching stellen

Kolumne von Michael Morosow

Hexenfuß und Spinnenbein. Der Tag ist wieder gekommen, da sich manch einer schon in der Früh gerne in einen Flieger setzen würde, um der ganzen Clownerie am Abend zu entkommen. Über den Wolken würde er dann vielleicht mit dem ein oder anderen bayerischen Gendarm, einem nicht minder leidenden Heimatpfleger oder anderen Traumatisierten ins Gespräch kommen, die sich alle aus dem gleichen Grund aus dem Staub gemacht haben. Ihre gemeinsame Furcht hat einen Namen: Samhainophobie, auf Deutsch: Angst vor Halloween.

Manchem Betroffenen steht schon Tage davor der Angstschweiß auf der Stirn alleine bei dem Gedanken, dass wieder sämtliche Kindergangs aus der Nachbarschaft im Minutentakt an seiner Wohnungstür Sturm klingeln und die Herausgabe von Süßigkeiten erpressen. Natürlich kann niemand wirklich böse sein, wenn so ein kleiner E.T. in Begleitung von mehreren bluttriefenden, eben erst eingeschulten Mini-Monstern auf der Fußmatte steht und mit putziger Kinderstimme die im Grundsatz justiziable Frage stellt: "Süßes oder Saures?" Zumal nicht selten Väter hinter einer Hecke Schmiere stehen, bis die maskierte Räuberbrut samt Beute unbeschadet in der Dunkelheit verschwunden ist.

Dann aber geht der Spuk in die zweite Runde, dann treten die Halbstarken, ebenfalls vermummt, in Aktion. Für sie ist Halloween eine Melange aus Silvester-, Faschings- und Freinachtsgaudi, und da kann schon einmal ein Briefkasten versehentlich in die Luft gesprengt oder die ein oder andere Rakete in den Nachthimmel geschossen werden, können Eier auf Hauswänden oder Autos landen oder unbedarfte Nachbarn fast zu Tode erschreckt werden - dann zum Beispiel, wenn in stockfinsterer Nacht vor ihnen ein Teenie als Todesengel um die Ecke biegt. Die Gefahr, dass der Nachbar Halloween in diesem Moment nicht auf dem Schirm hat, den Spaßvogel daher mit einem Psychopathen verwechselt und ihm humorlos die Federn rupft, ist dabei durchaus gegeben.

Für Armin Ganserer, den Leiter der Polizeiinspektion Ottobrunn, hat der Spaß dann ein Loch, "wenn er den Scherzbereich verlassen hat". Eine Streife wird daher nach dem Rechten schauen. Für alle Hüter bairischen Brauchtums ist Halloween indes ohnehin nur Schnickschnack aus Nordamerika, sie nennen das Treiben Grusel-Fasching - müssen aber hilflos dabei zusehen, wie Hexenfuß und Spinnenbein sich immer tiefer auch in den bayerischen Boden krallen. Heuer etwa in der Ismaninger Freizeitstätte "Zap", wo es von 21 Uhr an "Gruselgarten und Halloween" heißt, oder bei der Halloween-Party am Abend im Grünwalder Jugendzentrum, wo wieder "viel Blut fließen" wird. Aber wer das heitere Treiben der Räuber, Vampire und Voodoo-Zauberer verfolgt, wird vielleicht zu dem Schluss kommen: Lasst doch den Kindern ihren Spaß, weitere Gegenwehr ist ohnehin zwecklos.

© SZ vom 31.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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