Ballett:Die Kraft des Tanzes

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Der große, kleine Prinz in der Mitte: Reona Tabuchi springt möglicherweise einer eindrucksvollen Karriere als Balletttänzer entgegen. (Foto: Claus Schunk)

Laurel Benedict-Manniegel hat an ihrer Schule eine Reihe bemerkenswerter Choreografinnen und Schüler um sich gesammelt. Diese zeigen eindrucksvoll, was sie gelernt haben

Von Marie Heßlinger, Unterhaching

Stille der Spannung. Der Vorhang öffnet sich. Eine Gruppe Fünfjähriger trifft das Scheinwerferlicht. Angestrengt blinzeln sie dagegen an. Ihr Einsatz: "Hallo, hallo, ich freue mich so sehr." Die kleinen Balletttänzerinnen ziehen ihre Bäuche ein und strecken ihre Köpfe weit nach oben. Mit ihren zusammengepressten Lippen und angespannten Hälsen wirken sie, als reichte ihnen Hochwasser bis unters Kinn. In ihrer Mitte ein einziger Junge, er hat das meiste Rhythmusgefühl. Am Ende gucken die Kleinen verdutzt ins Publikum. Bis unsichtbare Schnüre sie an ihren Bauchnabeln ziehen und sie auf Zehenspitzen von der Bühne dibbeln.

Die Vorstellungen der Jüngsten sind nicht nur herzzerreißend süß, sie zeugen auch davon, wie viel Selbstbeherrschung Ballett erfordert. Am Samstag konnte man bei der alljährlichen Aufführung der Benedict-Manniegel-Schule im Kubiz Unterhaching die Entwicklung vom kleinen Ballettanfänger bis hin zum Profitänzer in Zeitraffer erleben. Bald tanzen die Jüngeren nicht mehr zu Kinderliedern, sondern zu strenger Klaviermusik. Bald deklinieren sie die verschiedenen Arm- und Beinpositionen durch - eine harte, trockene Arbeit. Doch ehe man sich versieht, werden ihre Bewegungen fließender.

Schon nach wenigen Auftritten beginnen sie, abzuheben, zu wirbeln, zu strahlen. Und schließlich werden sie zu jenen unwirklichen Wesen, die mit einem entrückten, fernen Lächeln über die Bühne gleiten, als wäre alles ein Leichtes, als schwebten sie in einer Welt ohne Neid und ohne Grauen. Ihre Füße getaktet wie die Nadeln von Nähmaschinen. Engelsgleich, unnahbar und urteilslos, in glitzernden Kostümen. Eine Welt voller Prinzessinnen - und eines Prinzen.

Der Prinz, ihm sei dieser Titel gegeben, nicht nur, weil er der einzige Mann der Akademieklasse ist. Seine kraftvollen Beine stoßen ihn ab zu Sprüngen, die höher sind, als es jeder physikalischen Erwartung entspricht. Er springt, als würden Luftstöße ihn mit jedem Satz ein paar Zentimeter höher heben. Er verliert sich im Tanz, er wird zum Tanz, er ist Tanz. Reona Tabuchi heißt das 22-jährige Talent, das von sich selbst sagt, im Tanz seine Meinung zum Ausdruck bringen zu wollen. Gleichzeitig hat er die japanische Bescheidenheit und Höflichkeit inne. "Er muss nicht größer sein", sagt eine Mitschülerin über den 1,68 Meter kleinen Tänzer, "er ist auch so großartig". Nach seinem Abschluss an der Benedict Manniegel Schule wird der Japaner ein Engagement in Cannes annehmen.

Die Einrichtung ist nicht nur eine Schule für all jene, die Tanz als Hobby haben, sie bildet ihre Schüler auch zu Profis aus, "mit dem Ziel, dass sie hinterher einen Job kriegen", sagt die Leiterin der Schule, Laurel Benedict-Manniegel. Seit 2009 kooperiert sie mit einer japanischen Agentur. "Die, die zu uns kommen, wissen, dass sie bei uns hart arbeiten müssen." Drei Jahre lang dauert die Ausbildung an der Akademie. Dieses ist das letzte Jahr der 15 Japanerinnen und des Prinzen - und ihr letzter Auftritt an der Benedict-Manniegel-Schule.

Vor diesem Hintergrund erscheint das Drumherum der Aufführung am Samstagabend fast zu laienhaft. Immer wieder erklingt versehentlich ein falsches Lied. Ein Thema oder eine Geschichte, die durch den Abend führt, ein roter Faden in Musik oder Kostümen, oder gar ein Bühnenbild, hätte den Glanz der Vorführungen unterstrichen. Denn nicht nur jene der Akademie, auch die vielen Hobby-Tänzerinnen fesseln das jubelnde und pfeifende Publikum. Obgleich die meisten von ihnen nicht davon träumen, Profis zu werden, trainieren sie fünfmal in der Woche, für mehr als zehn Stunden.

Im Zeitraffer von der Anfängerin bis hin zur Pofi-Ballerina sind jene 16-Jährigen vielleicht auf der schönsten Entwicklungsstufe, auf der ihnen die Technik gerade erst zu Tanz geworden ist.

Besonders schön kommt dies in der fröhlichen Choreografie "Hahn im Korb aus Lomir Tanzn" von Laurels Ehemann Heinz Manniegel zum Ausdruck. Zu deren krönendem Abschluss springt Sara Géréon, jene junge Tänzerin, die am glücklichsten strahlt, dem Prinzen in die Arme. Bemerkenswert sind auch die zeitgenössischen Choreografien von Ada Ramzews, Benedicht-Manniegels rechter Hand. Der ganzen Schule ist damit gelungen, die Kraft des Tanzes eindrücklich auf die Bühne zu bringen.

© SZ vom 15.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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