Tradition:Nur einer gibt die Kommandos

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Wer Schwaiberl hat, braucht keinen Kran: Mit langen Holzstangen wird der Maibaum an seinen Platz gebracht. (Foto: Claus Schunk)

Sebastian Brönner ist der Chef beim Maibaumaufstellen in Großhelfendorf. Krafttraining brauchen die 50 Männer im Ayinger Ortsteil nicht, um den Stamm nach oben zu wuchten - allerdings Vertrauen und ein letztes Hauruck.

Von Anna-Maria Salmen, Aying

Urbayern wissen es schon lange: Einen Maibaum mit dem Kran aufzustellen, ist nur die halbe Gaudi. Dass es mit technischer Hilfe besser klappt als mit Muskelkraft, ist nicht garantiert. In Großhelfendorf bei Aying wird der Maibaum traditionell per Hand aufgestellt. Schon um kurz vor zehn Uhr wird gewerkelt: Der 34 Meter lange Stamm liegt auf der Straße, das Ende wird gerade in die Halterung gebohrt. In einer Stunde soll es laut Wetterbericht regnen. Sebastian Brönner will sich davon aber nicht stören lassen. "Da haben wir eh keinen Einfluss drauf."

Sebastian Brönner koordiniert jeden Schritt der Helfer. (Foto: Claus Schunk)

Es ist schon der dritte Maibaum, dessen Aufstellen der 32-Jährige als Chef koordiniert. Die Erfahrung wirkt beruhigend auf so manchen Zuschauer. Immer wieder hört man an diesem Vormittag: Mit dem Wastl geht schon alles gut.

Nur für die ersten Meter wird der Stamm noch mit einem Schaufelbagger gestützt. (Foto: Claus Schunk)

Gespannt ist man trotzdem, als es um Punkt zehn Uhr ernst wird. Stück für Stück werden die Schwaiberl platziert - lange Holzstangen, mit denen der Baum langsam in die Höhe gehoben wird. "Obacht geben", ruft Brönner. Als alle an der richtigen Stelle stehen, gibt er das Kommando. Die Männer packen die Schwaiberl an den Metallgriffen und wuchten den Baum ein paar Zentimeter Richtung Himmel.

Am Anfang meinen manche der Männer an den Schwaiberln, eigene Kommentare abgeben zu müssen, erzählt Brönner lachend. "Da muss man kurzzeitig auch mal zwider sein." Wer der Chef ist, muss allen klar sein, nur Brönner gibt die Kommandos. Wenn alle dazwischen reden würden, gäbe es schnell Chaos.

Das kann man sich spätestens dann gut vorstellen, wenn der Baum schon um 45 Grad angehoben ist. Die kleinen Schwaiberl, die zu Beginn zum Einsatz kamen, reichen jetzt alleine nicht mehr aus. Die Menge der Zuschauer teilt sich, als die Burschen zwei weitere, mehrere Meter lange Stangen herbeitragen. Vorsichtig werden sie platziert - dafür ist eine Gruppe von knapp zehn Männern nötig.

Bis zu 50 Männer braucht es zum Aufstellen des Maibaums. (Foto: Claus Schunk)

Unter dem Maibaum hat sich mittlerweile ein regelrechter Wald aus Holzstangen gebildet, 40 bis 50 Männer helfen mit. Damit niemand dem anderen in die Quere kommt, muss Brönner alles im Blick haben und jeden Schritt koordinieren. Immer wieder läuft der 32-Jährige durch die Reihen und prüft, wo noch nachjustiert werden muss, bevor der Baum wieder ein Stück angehoben werden kann.

Zwei der Stangenpaare wandern gerade nach außen. Nein, das passt nicht ganz, stellt Brönner fest. Die Schwaiberl werden also doch noch einmal nach innen gehoben, wo sie ein paar Zentimeter weiter unten platziert werden. Erst dann bewegen die beiden Männergruppen die Stangen wieder auseinander. "Jetzt stehen sie gut", urteilt Brönner, "Hauruck". Der Baum ruckelt ein kleines Stück weiter nach oben.

Mittlerweile ist mehr als die Hälfte geschafft - Zeit für eine Verschnaufpause. Bierkrüge werden herumgereicht, aber es gibt nur ein paar Schluck für jeden. Da ist Brönner streng, außerhalb dieser kleinen Pause herrscht striktes Alkoholverbot unter dem Baum.

Bier gibt es während des Aufstellens nur in kleinen Schlucken - volle Konzentration ist nötig. (Foto: Claus Schunk)

"Man braucht schon einen gesunden Respekt", sagt Brönner. So ein Maibaum wiege vier bis fünf Tonnen, da darf nichts schief gehen. "Am schlimmsten wäre, wenn eine der Stangen wegrutscht." In diesem Fall wäre es wichtig, dass die anderen Helfer trotzdem an ihren Plätzen blieben, um für Stabilität zu sorgen.

Vertrauen ist also wichtig: Die Männer müssen Brönner zutrauen, dass er auf sie aufpasst, umgekehrt muss er sich auf sein Team verlassen können. "Wenn man die richtigen Leute hat, passt alles." Mit gesundem Menschenverstand könne man zudem auch gut einschätzen, wann es gefährlich werden könnte.

Nicht nur Muskelkraft, sondern auch Taktik ist wichtig. (Foto: Claus Schunk)

Um kurz vor zwölf ist es fast geschafft. Beinahe zwei Stunden sind die Männer mittlerweile am Schieben und Heben. Üben kann man das vorher nicht, sagt Brönner. Auch nicht mit Krafttraining? "Brauchen wir nicht. Wir sind Bayern", scherzt er. "Letztendlich muss jeder selbst wissen, ob er es schafft." Dass jemandem die Kraft ausgehe, sei selten - unter dem Baum putsche man sich gegenseitig schon genug auf.

Vor allem auf den finalen Zentimetern ist der Wille spürbar. Brönner muss da eher bremsen, sagt er. Noch ein letztes Mal werden die Schwaiberl neu ausgerichtet, ein letztes Hauruck. Um zwei Minuten vor zwölf steht der Maibaum. Geregnet hat es nicht.

Die Erleichterung ist greifbar. "Einwandfrei", urteilt Brönner. Er habe zwar nie daran gezweifelt, dass alles gut geht, "aber man ist dann doch froh, wenn's wieder vorbei ist".

In einer früheren Fassung war zu lesen, der Maibaum in Neubiberg sei per Kran aufgestellt worden, das ist falsch. Der Maibaum in Neubiberg wurde vom Burschenverein ebenfalls per Hand aufgestellt.

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