Ausstellung im Bürgerhaus Pullach:Spuren des Lebens

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Das Forum Romanum wird in den Händen von Dieter Härtter zum Comic. (Foto: Claus Schunk)

Seit 20 Jahren vereint der Künstlerkreis Münchner Süden Maler, Bildhauer und andere Ästheten. Im Austausch sind die Mitglieder miteinander gewachsen. In Pullach zeigen sie ihre Arbeiten.

Von Franziska Gerlach, Pullach

Der blaue Lack ist abgesplittert, die Fläche von Muscheln und Algen überzogen. Die Natur hat ihre Spuren an der Schiffsschraube hinterlassen, ganz klar, und die Künstlerin F. Freya fand dieses Muster aus Lack und Algen und Muscheln so bizarr, dass sie gar nicht anders konnte, als die Kamera darauf zu richten.

Nur wie lange es dauert, bis die Natur ein solches Kunstwerk hinbekommt - zehn Jahre? 15 Jahre? Oder am Ende gar 20?

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Das Forum Romanum wird in den Händen von Dieter Härtter zum Comic.

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Jochen Brunsmann schätzt Falten als Spuren, die das Leben an Mensch und Tier hinterlässt.

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(Foto: Claus Schunk)

Gabriele Rodler hat den Vorsitz des Künstlerkreises im Jahr 2002 übernommen.

So lange besteht zumindest der Künstlerkreis Münchner Süden (KMS) bereits, seit 20 Jahren stellen die Künstler außerdem einmal im Jahr gemeinsam aus, immer im Herbst, immer im Bürgerhaus Pullach. Und es greift wohl nicht zu hoch, wer behauptet: Das ist ein Termin, der sich als feste Größe im Kalender vieler Kulturgänger des Landkreises etabliert hat. Gabriele Rodler hat den Vorsitz des Vereins im Jahr 2002 übernommen. Und wenn sie jetzt, inmitten der Arbeiten von 26 Künstlern, eine Veränderung benennen soll, dann sagt sie ganz zu Recht mit Stolz: "Wir haben uns unglaublich gesteigert."

Johannes von Peckenzells Skulpturen entstehen teils aus Schrott. (Foto: Claus Schunk)

Und stolz darf man auch guten Gewissens sein, nicht nur wegen des hohen Niveaus der Arbeiten und dem breiten Angebot an Stilen, das von Aquarellen über abstrakte Malerei, Fotografien bis hin zur Bildhauerei reicht. Wie dem Jubiläumsheft zu entnehmen ist, wirkte in Solln und Pullach nämlich bereits zu Zeiten des Prinzregenten Luitpold, im späten 19. Jahrhundert - also noch bevor die Schwabinger Künstler für Furore sorgten - eine recht agile Künstlerszene; sowohl nach dem Ersten als auch nach dem Zweiten Weltkrieg wählten immer wieder Architekten, Maler und Künstler Pullach oder Solln als Wohn- und Arbeitsort. Der Maler Rupprecht Geiger zum Beispiel. Oder Antje Tesche-Mentzen, die in den Siebzigerjahren ein Atelier mit Kunstschule und Kindermalstudio eröffnete.

Mit einem Sollner Heft fing 1997 alles an

Die Geschichte des Künstlerkreises Münchner Süden beginnt indes 1997 mit der Herausgabe eines "Sollner Heftes", das in Solln und Umgebung lebende Künstler vorstellte, etwa 50 Vertreter ganz unterschiedlicher Stilrichtungen meldeten sich damals bei dem Herausgeber, einem gewissen Hermann Sand. Im Spätherbst desselben Jahres folgte ein Treffen zum Kennenlernen, et voilà, der Künstlerkreis war geboren. Und weil die Pullacher Malerin Monika Gassner-Dietz dann auch noch den Kontakt zum damaligen Kulturamtsleiter im Bürgerhaus Pullach herstellte, fanden dort von 1998 an Gruppenausstellungen statt. "Visionen", "Licht und Schatten" oder auch "Paare" lauteten die Titel, die den Werkschauen in den vergangenen Jahren vorangestellt waren. 2017 haben sich die Künstler nun eben für "Spuren" als verbindendes Element entschieden.

Uta Seidel zeigt Torsi. (Foto: Claus Schunk)

Nur wer oder was da Spuren hinterlassen hat, oder wie diese Spuren überhaupt aussehen, das erschließt sich nicht sogleich. Und Künstlerin F. Freya findet das gut so: "Die Leute sollen sich ja Gedanken machen." Anders wird der Betrachter dieser Vielzahl an Spuren, die sich durch die Menge an Kunstwerken ziehen, aber auch nicht Herr: Einige gehen auf reale Landschaften zurück, andere führen zu abstrakten Improvisationen; Spuren begegnen einem aber auch als dokumentarische Fotografien, zum Beispiel bei Dieter Härtter, der ein Foto des antiken Forum Romanum in Rom am Computer derart verfremdet hat, dass die Konturen der Tempelruinen an eine Comiczeichnung erinnern.

Wer Spuren sucht, der findet sie in diesen Tagen in Pullach also zuhauf. Und das ist ziemlich tröstlich in Zeiten, da die Welt nur allzu gern auf makellos macht. Wir sind auf Perfektion geeicht, so glatt wie die Oberfläche unserer Smartphones. Und wer sich mit Jochen Brunsmann unterhält, der zur Schau den Holzschnitt eines Elefanten beigesteuert hat, wird dem Künstler vielleicht in seinem Unverständnis darüber zustimmen, wie unsere Gesellschaft Falten, die schönsten Spuren am menschlichen Körper, als Makel begreifen kann. Als zarte Maserungen in Türkistönen kommen dann jene Spuren daher, die ein Pilz auf der Oberfläche von Flaschenkürbissen hinterlassen hat. "Pilze als Künstler", hat Johannes von Peckenzell seine Arbeit überschrieben. Ganz uneitel teilt er den Applaus. Denn schließlich war nicht nur die Natur am Werk. Peckenzell war es natürlich selbst, der die Kürbisse zu einem Mobile aufgezogen hat. Früher hat der Künstler gemalt, seit einigen Jahren aber fertigt er vor allem Skulpturen. Und weil er dazu schon mal Elektroschrott aus Abrisshäusern verwendet, können der Kakadu und die Eule, die er im Bürgerhaus Pullach zeigt, auch kokett mit den Augen blinken. Selbst ein verkohltes Holzlamm erhebt Peckenzell zur Kunst. "Dem Feuer entrissen" heißt die Skulptur. Ein guter Name. Zumindest für jene, die nicht lange rätseln wollen.

Die Jubiläumsausstellung des Künstlerkreises Münchner Süden ist noch bis zum 18. Oktober im Bürgerhaus Pullach zu sehen, Heilmannstraße 2, täglich von 10 bis 18 Uhr.

© SZ vom 06.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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