Landgericht München:Kokainhandel im Wohnheim

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"Ich kannte nur Gewalt": Die Lebensgeschichten zweier Männer klingen mehr als trist. Nach einer schweren Kindheit rutschten sie in die Kriminalität. Zuletzt dealten sie mit Kokain im Männerwohnheim - und landeten nun vor Gericht.

Von Christian Rost

Als Vorsitzender einer Strafkammer am Landgericht München I hat Richter Anton Winkler schon so manche verkorkste Lebensgeschichte gehört. Was die beiden wegen Kokainhandels angeklagten Peter S., 47, und Mathias H., 29, aber am Freitag über ihre Herkunft berichteten, war besonders trist: Die Mutter von Peter S. war Prostituierte, der Vater Zuhälter und Alkoholiker. Mit drei Jahren kam S. erstmals in ein Heim und boxte sich im Wortsinn durchs Leben. In einer Einrichtung für schwer Erziehbare schlug er einmal sogar eine Nonne. "Ich kannte nur Gewalt", sagte der Angeklagte, der schließlich selbst Zuhälter wurde.

Mathias H. erging es nicht viel besser: Als er drei Jahre alt war, hatte sein Vater, ein Lastwagenfahrer, ihn und seine Schwester kurzerhand in einer Kneipe abgegeben, um auf Sauftour zu gehen. Danach war H. abwechselnd in Heimen und in acht Pflegefamilien untergebracht. "Das sind schon andere Kindheiten", bemerkte Richter Winkler dazu.

Beide Männer lebten in einem Männerwohnheim

Die beiden Männer mussten sich wegen Rauschgifthandels vor der dritten Strafkammer verantworten. Beide lebten seit Dezember 2013 zusammen in einem Männerwohnheim in Untersendling. Peter S. kam dort nach einer verbüßten Haftstrafe wegen Drogenhandels und einem kurzen Therapieaufenthalt unter. Der Koch Mathias H. hatte seine Wohnung verloren und fand mit seinem Nettoeinkommen von etwas mehr als 1000 Euro keine andere Bleibe in München.

In dem Wohnheim existierten die Angeklagten nebeneinander her und verstanden sich dabei recht gut, wobei der rückfällig gewordene S. wieder Kokain rauchte und H. kiffte. Um sich seine Sucht zu finanzieren, begann S. laut seinem Geständnis nur einen Monat nach dem Ende seiner Therapie damit, mit dem Rauschgift zu handeln. H. half ihm dabei. Rund 50 Gramm Kokaingemisch fanden Ermittler bei der Durchsuchung der beiden Pensionswohnungen am 18. März dieses Jahres.

Die teure Droge wird normal in anderen Kreisen konsumiert

Es dürfte nicht oft vorkommen, dass die Münchner Polizei in einem Umfeld von sozialhilfebedürftigen Wohnungslosen Kokain-Dealer aushebt. Normalerweise wird die teure Droge in anderen Kreisen gehandelt und konsumiert. Die Kunden ließen sich vom Ambiente aber nicht abschrecken und besorgten sich im Wohnheim bei S. ihren Stoff. Wenn der Mann gerade nicht zu Hause war, erledigte sein Wohnungsnachbar das Verpacken der Ware und kassierte bei den Kunden ab.

Obwohl H. nur Freundschaftsdienste für S. leistete, sah er sich vor Gericht mit einem verschärften Anklagevorwurf konfrontiert. Er hatte stets ein Einhandmesser in seiner Hosentasche mit sich herumgetragen, was die Staatsanwaltschaft als "bewaffnetes" Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auslegte. H. sagte, er habe das Messer nicht als Waffe mit sich geführt, sondern zum Fingernägelausputzen und Brotzeitmachen benutzt.

Bei Peter S. fand die Polizei zwar kein Messer, im Gegensatz zu seinem Mitangeklagten hat er es allerdings schon zu einer umfangreichen Strafakte gebracht: Während seiner Drogenkarriere - "ich hab' alles genommen" - und seiner langjährigen Tätigkeit im Rotlichtmilieu - "ich hab' schon einige Einschüsse und Messerstiche abbekommen " - blieben Gesetzesverstöße freilich nicht aus. Mehrere Jugend- und Haftstrafen brachte ihm das ein.

"Ich kämpfe gegen die Drogen, doch dann derbröselt's mich wieder."

Künftig wolle er sichergehen: Sein Verteidiger Andreas Fischer sagte, dass S. eine mindestens einjährige Therapie machen wolle, um von den Suchtmitteln endlich loszukommen. Der Angeklagte selbst sagte, dass er es ohne Hilfe nicht schaffe: "Ich kämpfe gegen die Drogen, doch dann derbröselt's mich wieder." Das Gericht verurteilte ihn zu dreieinhalb Jahren Haft und verfügte seine Einweisung in eine Entziehungsanstalt.

Mathias H., den Rechtsanwalt Markus Meißner verteidigte, will sich zum Landschaftsgärtner umschulen lassen, um auch finanziell wieder auf die Beine zu kommen. Er kam mit einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und acht Monaten davon.

© SZ vom 22.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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