Landgericht:"Mei, die hatte ja seit Jahren Angst vor ihrem Verflossenen"

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Roland B. soll die Frau mit mindestens 18 Messerstichen getötet haben. (Foto: dpa)
  • Roland B. muss sich wegen Mordes vor dem Landgericht München I verantworten.
  • Er soll seine damals 45-jährige Ex-Freundin erstochen und zuvor sieben Jahre lang verfolgt haben.
  • Am dritten Verhandlungstag sagen verschiedene Zeugen aus, um die Zeit vor und nach der Tat nachvollziehen zu können.

Von Susi Wimmer

"Ich habe weniger Speichelfluss", teilt Roland B. am dritten Verhandlungstag dem Gericht mit. Der wegen Mordes angeklagte Architekt befindet sich seit einem Monat aus Protest gegen gerichtliche Maßnahmen, gegen seinen Pflichtverteidiger und aus sonstigen Gründen im Hungerstreik. Derweil werden vor dem Landgericht München I Zeugen gehört, die die letzten Minuten im Leben der Tsin-leh L. schildern.

Ihre panischen Schreie in Todesangst, ihre heftig blutenden Verletzungen an Hals und Bauch, ihr röchelndes Schnaufen und ihr letzter Atemzug. "Den werde ich nie vergessen", sagt eine Zeugin. Roland B. soll die damals 45-Jährige sieben Jahre lang verfolgt und dann erstochen haben, weil sie mit ihm Schluss gemacht hatte.

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Roland B. soll seiner früheren Freundin aufgelauert und sie mit 18 Messerstichen getötet haben. Einer Gerichtsverhandlung würde sich der 46-Jährige wohl gerne verweigern.

Von Susi Wimmer

Wie Puzzleteile trägt das Gericht die Aussagen der Zeugen zusammen, um sich ein Bild vom Tattag am 16. August 2016 zu machen. Es sind einzelne Sequenzen, vom schwerst verletzten Opfer, von einem kurzen Blick auf den Täter und schicksalhaften Minuten, die vielleicht über das Leben von Tsin-leh L. hätten entscheiden können. Eine Nachbarin etwa erzählt, dass sie an jenem Tag, etwa zwei Minuten vor der Tat, noch hinter der netten Nachbarin hergegangen sei.

"Mei, die hatte ja seit Jahren Angst vor ihrem Verflossenen", erzählt die Zeugin. "Die Jenny war so beliebt bei uns, hat Kuchen gebacken, sich um alte Leute gekümmert." Und sie hatte der Nachbarin von ihrem stalkenden Ex erzählt, sogar Zettel an die Nachbarn mit seinem Konterfei verteilt und um Hilfe gebeten. "Mia ham auf sie aufgepasst", sagt die Zeugin.

Aber an jenem 16. August, da habe sie gesehen, dass es "die Jenny" furchtbar eilig hatte, in ihrem Hauseingang an der Bayrischzeller Straße zu verschwinden. "Sie hatte eine Freundin erwartet. Und ich dachte: Deshalb rennt sie so." Als die Nachbarin im Nebenhaus im ersten Stock angelangt war, hörte sie die "Todesschreie". Ob es sein könne, dass die Frau vor jemandem davongelaufen sei, fragt Richter Michael Höhne. "Ich habe niemanden gesehen", sagt die Nachbarin. "Aber vielleicht hat er sich wieder im Tonnenhäusl versteckt. Da hat ihn die Hausmeisterin mal rausgeworfen. Er hat ihr ja ständig Steinchen ans Fenster geschmissen, die Türe mit Kaugummi verklebt und so Sachen."

Eine Studentin, die gerade das Haus an der Bayrischzeller Straße betreten wollte, sah durch die Glasscheiben die blutende Frau im Treppenhaus liegen. Und einen Mann, der aus der Türe kam, sie sogar kurz streifte und "schnell weg" murmelte. "Ich hab einen Mann im blauen T-Shirt weggehen sehen", hat eine andere Zeugin beobachtet. Und Andreas H. hörte die Hilfeschreie, zögerte nicht lange, lief zum Tatort, zog sich sein Hemd aus und versuchte die Wunden der Frau abzudrücken. "Sie blutete stark am Hals, dann hab ich noch die Bauchwunde gesehen und hab versucht, sie mit dem Knie abzudrücken", erzählt der 34-Jährige. Aber die Frau sei binnen weniger Minuten verstorben.

Roland B. lauscht den Schilderungen der Zeugen, macht sich zuweilen Notizen und erklärt am Ende des Verhandlungstages, dass er ja entgegen ärztlicher Einschätzung nicht verhandlungsfähig sei. "Aber ich stelle ihnen gerne täglich dar, wie ich mich fühle."

© SZ vom 16.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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