Kabarett:Der Laden lebt

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"Ein neuer Mensch" heißt das Programm von Hosea Ratschiller - er selber geht mit gutem Beispiel voran. (Foto: Christian Pitschl, Collage: Pascale Osterwalder)

Das neue Team der Lach- und Schießgesellschaft startet mit einem Stream des Wiener Kabarettisten Hosea Ratschiller.

Von Oliver Hochkeppel, München

Schwer genug, in diesen Zeiten eine Kleinkunstbühne am Laufen zu halten. Ein umso größeres Kunststück, einen kompletten Neustart hinzulegen. Zur Erinnerung: Im September vergangenen Jahres endete völlig überraschend eine Ära in der Lach- und Schießgesellschaft. Nachdem er sich mit seinen Mitgesellschaftern nicht über die zukünftige Ausrichtung des "Ladens" einigen konnte, gab Till Hofmann nach 20 Jahren die Geschäftsführung ab, mit ihm ging die Bookerin und langjährige Seele des Hauses Steffi Rosner. Co-Gesellschafter Bruno Jonas übernahm das Zepter und holte Stefan Hanitzsch - Internet-Portalbetreiber und Sohn des Karikaturisten und Dieter-Hildebrandt-Intimus Dieter Hanitzsch - als Gesellschafter und Leiter mit ins Boot. Der ist nun also dafür verantwortlich, dass und wie es in der immer noch berühmtesten Kabarettbühne der Republik weitergeht.

Zunächst freilich wurde erst einmal dichtgemacht. Für die technische und digitale Aufrüstung des Hauses und "dringend notwendige Sanierungen und Renovierungen", wie Hanitzsch sagte. Im Dezember sollte es dann mit der Heimpremiere des neuen Lach- und Schießensembles neu losgehen, aber Corona machte und macht diesen Plänen einen Strich durch die Rechnung. Bei den derzeit geltenden Regelungen ist im 120-Personen-Saal kein sinnvoller und kostendeckender Betrieb möglich. Damit der Name Lach- und Schießgesellschaft aber nicht in Vergessenheit gerät, und auch, um die neue Hinwendung zur digitalen Präsenz (auch die neue Homepage ist ab sofort online) zu demonstrieren, gibt es jetzt am kommenden Sonntag die erste Veranstaltung als Stream. "Wenn Sie nicht zu uns kommen können, kommen wir zu Ihnen!" steht in der Ankündigung unter dem Titel: Neuer Laden, neuer Mensch." Das führt direkt ins Programm des Neustarts, denn der österreichische Kabarettist Hosea Ratschiller eröffnet mit seinem Programm "Ein neuer Mensch" die neue (Streaming-)Ära der Lach- und Schieß.

Ehre, wem Ehre gebührt, hat der Wiener Kabarettist (wenn auch eigentlich aus Klagenfurt stammend) doch zuletzt seine Premieren gerne in München gespielt, auch sein neues Buch wird er im März zuerst hier vorstellen. Und den Programmtitel darf man ruhig auf ihn selbst beziehen. 40 ist Ratschiller jetzt, nicht mehr pausbäckig wie noch bis vor kurzem, hat auch als Radiomacher, Kolumnist, Moderator, Autor und Schauspieler internationales Format gewonnen und sich nun von seiner lange gepflegten Bühnenfigur eines zynischen Unsympathen in der Hader- und Puntigam-Tradition verabschiedet. Das "Einmann-Welttheater", wie ein Kritiker seine Bühnenform einmal nannte, ist freilich geblieben, seine Weltanalyse von Sozialstaatabbau, Klimawandel und Sittenverlust ist indes in Familiengeschichten im Kleinbürger-Milieu verpackt. Vom Hölzchen geht es zum großen Stock, der Gang zum Bäcker gerät zum viertelstündigen Mini-Theater, der menschliche Maßstab verschwimmt beim bis zu 400 Jahre alt werdenden Grönland-Hai. So fulminant theatert er sich da eini (wie er es nennt), dass Ratschiller sich damit - dokumentiert durch Auszeichnungen wie den Österreichischen Kabarettpreis - endgültig in die erste Riege der deutschsprachigen Kabarettisten gespielt hat.

Dass der Stream nicht trocken und trübe auf den Endgeräten ankommt, dafür soll niemand Geringerer als Hanns Christian Müller sorgen. Der langjährige Regisseur und Co-Autor von Gerhard Polt übernimmt die Bildregie. Außerdem wird es sogar Publikum in der Lach- und Schießgesellschaft geben. Allerdings auf einer bereits geschlossenen Liste, und ausgestattet mit "Statistenverträgen". Alle Gäste sind offiziell Mitarbeiter einer Fernsehsendung - so bleibt die Veranstaltung eine geschlossene Gesellschaft, was Hanitzsch angesichts "sich ständig ändernder, insgesamt unklar bleibender Corona-Regeln" aktuell noch für praktikabler hält. Am 29. Januar folgt dann in der gleichen Machart der nächste Stream mit Faltsch Wagoni. Die Lach- und Schießgesellschaft lebt noch, und das ist schön.

Hosea Ratschiller, So., 16. Jan., 18 Uhr, Stream der Lach- und Schießgesellschaft, Ursulastr. 9, www.lachundschiess.de

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