Kultur:"Ich sehe die Chance, neue Brücken zu bauen"

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Für Dirigent Maximilian Leinekugel aus Vaterstetten war der Tassilo-Preis eine wichtige Bekräftigung seiner Ambitionen

Interview von Alexandra Leuthner

Maximilian Leinekugel mit dem „Animato-Orchester“ München. (Foto: Matthias Döring)

Als der Vaterstettener Maximilian Leinkugel vor drei Jahren einen Tassilo bekommen hat, durfte noch ordentlich gefeiert werden. 2020 stand dann auch das Leben des 25-jährigen Dirigenten, der besonders für sein Engagement in der Jugendarbeit ausgezeichnet wurde, unter dem Eindruck der Pandemie. Mit seinem Orchester aus Musikstudenten, den Munich Classical Players, hat er aber immerhin ein paar Auftritte absolvieren können.

SZ: Herr Leinekugel, als Sie den Tassilo bekommen haben, waren Sie 22 Jahre alt. Was hat Ihnen als junger Musiker die Auszeichnung bedeutet?

Maximilian Leinekugel: Die Auszeichnung mit dem Tassilo-Preis war für mich eine wichtige Bekräftigung, meine Ambitionen als junger Dirigent weiter zu verfolgen. Ich bin mir sicher, dass dies gerade heute, wo es um die Kultur und ihre Akteure zwangsläufig still geworden ist und weiterhin eine Perspektive für die kommenden Monate fehlt, bedeutender denn je ist.

Wie haben Sie das Jahr 2020 erlebt?

Es war natürlich ein stetiges Auf und Ab, aber ich bin sehr froh, dass ich dank glücklichem Timing doch so einiges machen konnte - sowohl studientechnisch als auch mit meinen Munich Classical Players. Das letzte Konzert am 31. Oktober kurz vor dem erneuten Lockdown ist in besonderer Erinnerung geblieben, genauso wie unser erstes Konzert im Juni 2020 nach dem Frühjahrs-Lockdown.

Sie studieren seit 2019 in Birmingham Orchesterdirigieren. Wie läuft das ab unter Pandemiebedingungen?

Es ist nicht gerade einfach, da für Dirigenten das Zusammenarbeiten mit anderen Musikern essenziell ist. Momentan bin ich zuhause in Vaterstetten, hatte aber das große Glück, dass ich von Ende August bis Dezember einen Erasmus-Aufenthalt an der königlichen Musikhochschule in Stockholm machen konnte. Im Hinblick auf Corona quasi ein Lottogewinn, dort gab es trotz Pandemie viele Möglichkeiten, mit Musikern zusammenzuarbeiten und Orchester zu dirigieren.

Und dann kam die englische Mutante...

Und es war bis Mitte März kaum möglich, nach Birmingham zurückzukehren. Jetzt sind die Hochschulen wieder geöffnet, aber die Einreisebedingungen sind immer noch ziemlich heftig. Ich bin jedoch optimistisch, dass ich nach Ostern zurückkehren und meinen Abschluss machen kann. Geplant ist ein coronatechnisch angepasstes Orchesterprojekt mit 15 bis 20 Musikern, mit denen ich proben werde und ein Konzert gebe - live oder als Livestream.

Und wie geht's dann weiter?

Das ist gerade ziemlich offen, nachdem das Kulturleben in den vergangenen Monaten kaum existent war, nicht nur in Deutschland - in ganz Europa. Eine Stelle als Assistenzdirigent wäre ein denkbarer nächster Schritt, aber es gibt kaum Ausschreibungen. Warum auch? Welches Orchester schreibt schon aus, wenn man nicht weiß, ob man spielen darf.

Hätten Sie denn neben einer Assistenzstelle - wenn sie denn irgendwann kommt - Zeit, Ihre Jugendprojekte fortzuführen? Wie den Aufbau eines Jugendorchesters, das Sie ja im Vorjahr mit einer Orchesterwoche für Nachwuchsmusiker im Kleinen Theater in Haar starten wollten?

Die Zeit wäre auch bei anderweitigen Engagements noch gegeben. Ich plane auch weiter Konzerte in der Region mit meinen Munich Classical Players.

Vor einem Jahr haben Sie davor gewarnt, dass die Kultur durch Corona auf der Strecke bleiben könnte. Wie schätzen Sie die Situation heute ein?

Seit dem 2. November passiert in diesem Land kulturell quasi nichts. Man sollte die Kultur nicht nur an Inzidenzzahlen binden, sondern endlich anerkennen, dass Hygienekonzepte entwickelt wurden, die gegriffen haben und auch längerfristig bestehen können. Eine Perspektive für die Kultur ist dringend nötig. Wir müssen verantwortungsvoll mit dem Virus leben. Wenn ich in die S-Bahn steige, ist das ja auch so, aber keiner käme auf die Idee, fünf Monate lang die S-Bahn zuzumachen.

Aber träumen darf man ja: Welche Stelle wäre denn Ihr größter Wunsch?

Geträumt habe ich auch vor der Pandemie nicht, weil das Dirigieren ein hart umkämpftes Metier ist. Aber nach meinen Aufenthalten in England und Schweden kann ich mir gut vorstellen, mich wieder vermehrt im deutschsprachigen Raum zu bewegen und da ist Oberbayern kulturell betrachtet ja kein schlechtes Pflaster. Wenn das Kulturleben wieder aufersteht, kann viel Neues entstehen - das sehe ich auch als Chance, neue Brücken zu bauen.

© SZ vom 03.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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