Kultur:Betten statt Bücher

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Neues Kapitel: Prominente Autoren haben schon im Loft-Büro von Verleger Michael Volk Kaffee getrunken, Fredl Fesl etwa, Otti Fischer, Franz Maget, auch Max Mannheimer. Künftig wird Volk seine Schriftsteller anderswo empfangen müssen. Zum Jahresende ist an der Streitfeldstraße Schluss. (Foto: Catherina Hess)

Der Volk-Verlag ist nur einer von vielen Verlagen im Viertel und doch etwas Besonderes, weil Gründer Michael Volk eng mit Berg am Laim verbunden ist. Jetzt muss er einem Hotel weichen

Von Renate Winkler-Schlang, Berg am Laim

Die Random House Verlagsgruppe mit all ihren "Töchtern" wie Blanvalet, Südwest, Ludwig, Luchterhand, Manesse, Goldmann. Dann Callwey mit seinen schönen Architektur-, Wohn-, Garten- und Kochbüchern. Bis vor Kurzem noch die Redaktionen von Gruner-und-Jahr-Zeitschriften wie Eltern oder Neon. Und seit neuestem Langenscheidt. Seit zwölf Jahren auch der Volk-Verlag mit seinem "Lust auf Bayern"-Programm: Das Gewerbegebiet im Westen Berg am Laims ist ganz offensichtlich ein gefragter Standort für Verlage.

Doch einer muss nun ausziehen: Dem Volk-Verlag wurden seine Räume an der Streitfeldstraße 19 vom neuen Eigentümer gekündigt - ein Hotel soll entstehen, wo jetzt noch an schönen Büchern gefeilt wird. Noch ein Hotel. Berg am Laim wird geradezu überschwemmt von Hotelbetten. Erst jüngst hatte der Bezirksausschuss-Vorsitzende Robert Kulzer (SPD) erklärt, dass bald auf je zehn Berg am Laimer rechnerisch eines kommt.

Nun ist es nichts Ungewöhnliches, dass einem Gewerbemieter gekündigt wird, und der 50-jährige Verleger Michael Volk mag sich auch nicht beschweren, er hat eben einen Vertrag mit halbjährlicher Kündigungsfrist. Doch die Berg am Laimer wollen den Verlag behalten, denn Volk gehört zum Viertel. Nicht nur, dass er dort aufgewachsen ist und im Michaeligymnasium sein Wunsch reifte, Geschichte zu studieren - er bringt sich auch aktiv ein, und die Berg am Laimer schmücken sich gerne mit gerade diesem Verlag in ihrem Viertel: Keine Stadtteilwoche ohne einen Bücherstand des Verlags, kein Straßenfest ohne Volk, er macht mit beim Bürgerkreis, hat sich auch für die Feierlichkeiten zum Eingemeindungsjubiläum "100 Jahre Berg am Laim bei München" engagiert, an seinem Konferenztisch fanden die Sitzungen statt, er hat Gestaltung und Druck der Festbroschüre übernommen; auch bei der alljährlichen Gedenkfeier für die aus Berg am Laim deportierten Juden fehlt er fast nie. Obwohl er mit seiner Familie jetzt in Trudering wohnt, besucht er regelmäßig Einwohner- und Bürgerversammlungen.

Ursprünglich hatte er Lehrer werden wollen für Deutsch und Geschichte, doch die wurden nicht gebraucht, als er studiert hatte. Also hat er ein paar Praktika gemacht, unter anderem bei Tilmann Röder, dem Verleger des damaligen Buchendorfer-Verlags, der bekannt war für seine München- und Stadtteil-Bücher. "Da wurde noch geschnippelt und geklebt", sagt Volk. Von seiner Frau, einer Informatikerin, lernte er, wie es moderner geht. Er gründete einen Verlagsservice im eigenen Dachgeschoss, dann einen Verlag, brachte zuerst Börsenbücher heraus, weil er da "wen kannte". Doch nach dem Ende des Buchendorfer-Verlags wurde ein neuer Verlag gesucht für die zweite Auflage des Trudering-Buchs. Das brachte die Wende hin zu Geschichtsträchtigem, Münchnerischem, Bayerischem. Volk war in seinem Element.

Es folgte ein neues Berg-am-Laim-Buch: "Es war das erste, das hierher geliefert wurde." Volk schaut sich um in den 190 Quadratmetern, die im Moment noch das Verlagsbüro sind. Der Vormieter, das Fotostudio Hellhake, hat bereits die Empore eingebaut. Sie, die Backsteinwand, die Regale und Paletten voller Bücher, der große Tisch: Das alles zaubert eine kreative Atmosphäre, die Volk auch an einem neuen Standort unbedingt wieder etablieren will: "Raum an Raum an einem sterilen langen Gang, Steckdosenleisten und Neonlicht" - so etwas will er nicht unbedingt mieten.

Doch vielleicht darf er nicht wählerisch sein: "Der Büromarkt ist leergefegt", hat er schon erfahren. Schwer wird es vor allem, wenn man unbedingt im Viertel, zumindest aber im Münchner Osten bleiben will, nicht zuletzt auch den zehn Mitarbeitern zuliebe. Sorge macht dem preisgekrönten Verleger, der 2014 den Bayerischen Kleinverlagspreis bekommen hat, dass die nächste Adresse eine teurere sein wird. Das könne dann Folgen haben für sein Programm, denn bisher bringe er auch Bücher heraus, die nicht so viele Leser finden, "einfach, weil es sein muss". Er holt die Erinnerungen des Juden Alfred Kopell heraus: "Das ist mein letzter Brief". Das sei sicher so ein Beispiel.

Anderes aber läuft natürlich gut. Prominente Autoren haben schon in seinem Loft-Büro Kaffee getrunken, Fredl Fesl etwa, Otti Fischer, Franz Maget, auch Max Mannheimer. Künftig wird Michael Volk seine Autoren anderswo empfangen, der Verlag muss ein neues Kapitel aufschlagen. Am 31. Dezember ist an der Streitfeldstraße Schluss.

© SZ vom 19.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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