Krankenschwester vor Gericht:Von der Suchthelferin zur Süchtigen

Lesezeit: 2 min

Eigentlich hilft sie Alkoholkranken auf einer Suchtstation, doch dann wird sie selbst zur Trinkerin: Eine Krankenschwester beginnt wegen der hohen Arbeitsbelastung zu trinken - und fährt im Vollrausch Auto. Nun ist sie verurteilt worden.

Von Christian Rost

Fünf Jahre arbeitete die Frau in der Suchtstation einer Klinik und half dort Alkoholkranken. Bei einem Zweitjob in einem Altenpflegeheim verdiente sich die 38-Jährige noch etwas dazu. Die beiden Tätigkeiten wurden zu viel für die Münchnerin - statt sich aber zurückzunehmen, begann sie selbst mit dem Trinken, um den Stress zu bewältigen. Sie wurde abhängig und verlor im Rausch mehrmals die Kontrolle über sich, was ihr am Dienstag einen Termin am Münchner Amtsgericht einbrachte.

Die Krankenschwester war am 2. August 2012 zum wiederholten Male betrunken mit dem Auto gefahren, hatte mehrere Unfälle verursacht und war geflüchtet. An jenem Tag fiel einem IT-Berater, der mit dem Auto unterwegs war, in Mittersendling ein Fahrzeug auf, das denkbar ungünstig geparkt war. Es stand in der Kohlgruber Straße an einer Baustelle mitten auf der ohnehin engen Fahrbahn. Im Auto saß eine Frau, "ich dachte, dass sie schläft oder es ihr nicht gut geht", so der Zeuge. Also stieg er aus, klopfte ans Fenster, und als die Autofahrerin die Augen aufschlug und das Scheibe herunterließ, bemerkte er eine Alkoholfahne.

Der Mann forderte die Frau auf auszusteigen, was sie auch tat, und verlangte die Schlüssel für den Wagen. Die könne sie sich am nächsten Tag beim ihm abholen, so der Mann, und nannte ihr seine Adresse. Die Krankenschwester, die mindestens 2,33 Promille im Blut hatte, ging darauf nicht ein. Als der Zeuge nachdrücklicher die Schlüssel forderte, trommelte sie mit den Fäusten auf ihn ein. Er sah nun keine andere Möglichkeit mehr, als die Polizei zu rufen. Die Betrunkene rannte derweil Richtung Mittlerer Ring davon. Ehe sie die Straße erreichte, konnte sie der Mann einholen und festhalten.

Die Flucht war ihr als einziger Ausweg erschienen, schließlich hatte sie zuvor mit ihrem Wagen drei andere Fahrzeuge, einen Gartenzaun und einen Laternenmast gerammt - der Schaden belief sich auf 6500 Euro. Sie kümmerte das nicht: Einem anderen Zeugen, der sie bei den Kollisionen beobachtet hatte und sie stoppen wollte, fuhr sie einfach davon.

Erst im November 2011 war die Krankenschwester wegen einer Alkoholfahrt zu einer Geldstrafe von 3600 Euro verurteilt worden. Auch diese Fahrt endete mit einer Unfallflucht. Die Frau musste damals den Führerschein abgeben. Dennoch setzte sie sich wieder betrunken ans Steuer. Vor Gericht räumte sie die Vorwürfe ein, soweit es ihr überhaupt möglich war. Denn an so manches konnte sie sich nicht mehr erinnern. Ihr Rausch war so stark, dass ihr eine medizinische Sachverständige verminderte Schuldfähigkeit attestierte.

Die Angeklagte entschuldigte sich und versprach Besserung: Dass sie bereits eine Alkoholtherapie hinter sich gebracht hat, rechnete ihr die Richterin Sabine Eppelein-Harbers hoch an. Um eine Freiheitsstrafe von acht Monaten, auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, kam die Angeklagte aber nicht herum. Zudem muss sie 500 Euro an den Bund gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr zahlen und kann die nächsten eineinhalb Jahre keinen Führerschein mehr beantragen. Ihren Zweitjob im Pflegeheim hat sie inzwischen aufgegeben.

© SZ vom 24.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: