Kommunalwahl in München:SPD will Reiter zum OB-Kandidaten küren

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Noch-OB Ude und sein potentieller Nachfolger Dieter Reiter. (Foto: Stephan Rumpf)

Dieter Reiter soll am Donnerstag offiziell zum OB-Kandidaten der Münchner SPD gewählt werden. Ein Konkurrent ist nicht in Sicht. Anders sieht es dagegen bei der Kandidatenliste für den Stadtrat aus: schon jetzt wird in der Partei heftig um die besten Plätze gerangelt.

Von Dominik Hutter

Es dürfte ein ebenso feierlicher wie harmonischer Abend werden. Das Auditorium der BMW-Welt ist angemietet, und was die Münchner SPD vorhat, ist im Einladungsschreiben angekündigt: "Dieter Reiter wird vom Parteitag als Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters gewählt werden." Punkt. Es folgt eine historische Einordnung samt Ahnenreihe der Münchner Sozialdemokratie, von Thomas Wimmer über Hans-Jochen Vogel und Georg Kronawitter bis zu Christian Ude. Und jetzt eben auch Reiter.

Tatsächlich steht einer gelungenen Party am kommenden Donnerstag nichts im Wege. In der SPD gilt es als äußerst unwahrscheinlich, dass in letzter Minute ein Konkurrent an Reiters Stuhl sägt - was wohl auch aussichtslos wäre. Allerdings könnte der Schmusekurs schon nach kurzer Zeit wieder vorbei sein.

Nur knapp anderthalb Wochen später ist erneut Parteitag. Dann wird es um die Kandidatenliste für die Stadtratswahl gehen, deren Zusammensetzung weit weniger vorhersehbar ist. Kampfkandidaturen gelten diesmal nicht als unwahrscheinlich, Reiter selbst hat das Motto einer "Erneuerungsliste" ausgegeben. Die aber kann nur gelingen, wenn einige Platzhirsche die aussichtsreichen Ränge räumen. "Ich weiß nicht, was passieren wird", räumt Fraktionschef Alexander Reissl ein. Klar ist aber: Es herrscht kein Mangel an Bewerbern.

Ein wenig erleichtert wird die Situation durch die vielen Rathaus-Ausscheider: Langjährige Stadträte wie Barbara Scheuble-Schaefer, Ingrid Anker oder Monika Renner treten nicht mehr an, auch Nikolaus Gradl, Regina Salzmann, Irene Schmitt und Michael Leonhart wollen nicht mehr auf dem Wahlzettel auftauchen. Claudia Tausend und Andreas Lotte sind im September in Bundes- und Landtag gewählt worden.

Basis kann alles wieder über den Haufen werfen

Auf der anderen Seite gilt es für die Listenaufstellung eine Vielzahl an Kriterien zu beachten: Die strikte Parität zwischen Männern und Frauen muss gewahrt sein, Vertreter aus der schwul-lesbischen Gemeinde und Migranten sind ebenso unverzichtbar wie der Gewerkschaftsflügel oder die Jusos. Die Jugendorganisation der Partei fordert, zwei von jeweils zehn Listenplätzen besetzen zu dürfen - da sieht die jetzige Fraktion vergleichsweise alt aus. Und dann sollten auf der "Erneuerungsliste" natürlich auch alle kommunalen Themen sowie sämtliche Stadtviertel abgebildet sein, und dies alles auch noch auf aussichtsreichen Plätzen. Aktuell stellt die SPD 33 Stadträte.

Die Schaffung dieser eierlegenden Wollmilchsau obliegt dem Parteivorstand, der die Liste ausarbeitet und dann dem Parteitag vorlegt. Die Basis kann anschließend alles wieder über den Haufen werfen - schließlich muss nicht jeder akzeptieren, dass ihm durch die angeblichen Zwänge des großen Ganzen die persönlichen Karrierepläne verhagelt werden. Parteichef Hans-Ulrich Pfaffmann hält sich noch bedeckt, wer alles Interesse an einem Stadtratsmandat angemeldet hat.

Nach SZ-Informationen haben aber als Neulinge unter anderem Münchens DGB-Chefin Simone Burger und die Ortsvorsitzende in Haidhausen-Ost, die Sozialpolitikerin Anne Hübner, starkes Interesse. Die Jusos schicken ihren früheren Chef Jens Röver sowie Markus Lutz aus dem Bezirksausschuss Sendling neu ins Rennen. Als sicher gilt, dass Reiter Platz eins und Bürgermeisterin Christine Strobl Platz zwei erhalten.

"Manchmal stehen wir ziemlich deppert da."

Hinter den Kulissen spielt noch ein weiterer Aspekt eine Rolle: Wie lässt sich das Verhältnis zu den Grünen verbessern? Die Beziehung zum Bündnispartner, die man nach der Wahl möglichst beibehalten will, ist erkaltet - und die Polarisierungsphase des Wahlkampfs hat noch nicht einmal begonnen. Der Koalitionsausschuss, in dem sich die Fraktionen in strittigen Fragen abstimmen, tagt inzwischen öfter denn je, berichtet ein Insider. "Es fehlt jemand mit diplomatischem Geschick." Mit der Folge, dass das rot-grüne Bündnis in der Öffentlichkeit oft wie ein zerstrittener Haufen wirkt. "Manchmal stehen wir ziemlich deppert da." Mit dem Weggang von Christian Ude droht eine weitere Verschlechterung. Der Oberbürgermeister gilt als wichtiges Scharnier zwischen SPD und Grünen. In Streitfragen genießt er trotz seines Parteibuchs den Ruf als neutraler Schlichter.

Aus Sicht der Grünen, aber auch einiger innerparteilicher Kritiker, sind weite Teile des Zwists auf den rauen Tonfall zurückzuführen, den Fraktionschef Reissl im Umgang mit dem Bündnispartner pflegt. Reissl, der erst in der vergangenen Woche den grünen Fraktionsvorsitzenden Florian Roth öffentlich als "deppert" bezeichnete, hat noch nie einen Hehl daraus gemacht, was er von der Öko-Partei hält: herzlich wenig.

Bei ihren Lieblingsthemen wie Tempo 30 innerorts oder der Umwandlung von Parkplätzen in Radwege lässt Reissl die Grünen ebenso souverän wie kühl abblitzen. Die Leidenschaft des SPD-Manns, Klartext zu reden, ist nicht auf die Grünen beschränkt: Im Streit um den künftigen Standort des Kulturstrands charakterisierte Reissl Urbanauten-Chef Benjamin David als "impertinent", bezichtigte ihn der Lüge und drohte mit dem Anwalt.

Kritik an Reissl - von außen und innen

Es gibt deshalb nicht wenige in der Münchner SPD, die lieber keine Wette auf Reissls Wiederwahl als Fraktionschef abschließen würden. Ebenfalls in der Kritik stehen sein straffer Führungsstil sowie die angeblich mangelnde Loyalität dem Spitzenkandidaten gegenüber, den der einstige Rivale um die OB-Kandidatur gerne mal auflaufen lässt. Andererseits gilt Reissl als außerordentlich kompetent. Er weiß, wie eine Stadtverwaltung tickt und wie man seine Vorstellungen durchsetzt. Auch seine Gegner räumen ein, dass ein straffer Führungsstil gelegentlich sein Gutes haben kann. Denn dass die Partei - wie die Grünen - bei Abstimmungen mehrere Positionen vertritt, will niemand in der SPD.

Reissl selbst hält sich nicht für autoritär. Gerade bei strittigen Themen gebe er besonders viel Raum für Diskussionen, beteuert er. Und dass eine mehr als 30-köpfige Regierungsfraktion anders geführt werden muss als zwölf Grüne, sei klar. "Zur Demokratie gehört es, dass Entscheidungen getroffen werden." Abweichende Haltungen bei Abstimmungen verwässerten die "politische Erkennbarkeit" einer Partei. Und der Umgang mit den Grünen? Reissl gibt zu, dass Koalitionen für ihn nur ein "notwendiges Übel" sind. Sein Fokus liege stets auf der SPD. Im Streit mit dem Grünen-Kollegen Roth will Reissl nichts zurücknehmen. Schließlich sei der Anlass der Debatte gewesen, dass Roth "irgendeinen Scheiß" aus einer nicht-öffentlichen Sitzung in die Öffentlichkeit posaunt habe. "So etwas tut man doch nicht."

© SZ vom 04.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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