Kommunalwahl in Feldmoching-Hasenbergl:Land schluckt Stadt

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An Münchens nördlichem Rand hielten sich die politischen Kräfte lange die Waage. Dann kamen die Pläne für große neue Wohngebiete. Jetzt haben die Wachstumskritiker die Oberhand

Von Jerzy Sobotta, Feldmoching-Hasenbergl

Die Kommunalwahl hat im hohen Münchner Norden vieles durcheinander gebracht. Insbesondere ist das Gleichgewicht verloren gegangen, das den Bezirksausschuss (BA) bisher geprägt hat. Bislang ähnelte die politische Landschaft der Stadtkarte: Feldmochinger Acker im Westen gegen Hasenbergl'sche Großstadt im Osten. CSU gegen SPD, mit leichtem Übergewicht für die Sozialdemokraten, die die Grünen als Juniorpartner an ihrer Seite hatten. Man hielt sich die Waage. Dieses relative Gleichgewicht ist nun keines mehr: Die SPD hat sich auf fünf Sitze halbiert, ihr Zugpferd Markus Auerbach dürfte keine Aussicht haben, wieder BA-Vorsitzender zu werden. Selbst die erstarkten Grünen, die knapp an der SPD vorbeigezogen sind, können das bisherige Bündnis alleine nicht retten.

Stattdessen sitzen jetzt Wachstumskritiker aus kleineren Parteien mit im Gremium: Die München-Liste (ML) hat sich zwar als Lokalpartei ohne stadtweite Relevanz entpuppt, hat aber mit stattlichen zehn Prozent in und um Feldmoching ihre Bastion errichtet und bald auch im BA mitzureden. Die FW/ÖDP-Liste, angeführt vom Aktivisten Martin Schreck, der um den Erhalt des Eggartens kämpft, bekam sechs Prozent.

Auch für die CSU wird es kein einfaches Spiel: Sie kommt zwar auf 32 Prozent, hat aber ganze vier Sitze verloren. In der Diskussion um ein riesiges neues Stadtviertel in Feldmoching und eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) hatten manche konservativen Stadtrandbürger in den vergangenen Jahren reihenweise kompromisslose Positionen entwickelt. "Die München-Liste, das waren doch zu hundert Prozent CSU-Wähler", sagt CSU-Fraktionssprecher Martin Obersojer. Protestwähler also, die sich vom Zickzack-Kurs der Rathaus-CSU abwandten, weil die ihrem Geschmack nach zu lange mit einem neuen Stadtviertel liebäugelte.

Die Kommunalwahl hat die politische Balance im Stadtbezirk verändert. Hier zu sehen das Schulzentrum an der Nordhaide. (Foto: Florian Peljak)

Die München-Liste sei aber ein sicherer Bundesgenosse, wenn es um die Wahl des BA-Vorsitzenden geht, ist sich Obersojer sicher. Ähnliches dürfte weiterhin für den FDP-Mann Johann Hohenadl gelten, der im Gremium bleibt. Allerdings genügt das nicht. 14 Stimmen braucht der neue Vorsitzende für eine Mehrheit. CSU, ML und FDP kämen auf zwölf. Zwei Stimmen müsste die CSU woanders herholen. Für Martin Schreck und seine Mitstreiterin von der ÖDP dürfte ein grüner BA-Vorsitz aber mindestens genauso denkbar sein wie ein schwarzer. Und das würde heißen: Ein CSU-Vorsitz käme durch die beiden Sitze der AfD zustande. Ein Thüringen-Szenario auf Stadtviertel-Ebene. "Das haben wir auch durchgespielt", sagt Obersojer. Aber ein Vorgehen müsse man sich erst noch überlegen. Nur eines stehe fest: "Wir werden jetzt keine Gespräche mit der AfD führen."

Auch im Tagesgeschäft könnten in den kommenden Jahren immer wieder die AfD-Stimmen über die Mehrheit entscheiden. Paradoxerweise ist die AfD ausgerechnet in Feldmoching-Hasenbergl aber keine Partei der Wachstumskritiker. Einer der beiden künftigen Mandatsträger ist der 67-jährige Manfred Neudecker, der früher in der Immobilienwirtschaft gearbeitet hat. Und er sieht auf den Feldmochinger Äckern noch viel Entwicklungspotenzial.

Die Diskussion um ein neues Riesen-Stadtviertel wird im Münchner Norden schon bald alle anderen Themen verdrängen. Stadtbaurätin Elisabeth Merk hat angedeutet, dass es zum Nachfolgeprojekt für die SEM - Codewort: Kosmo - Ende dieses Jahres weitere Informationen geben soll. Sie wollte das Thema aus dem Wahlkampf heraushalten.

Der Einfluss reicht in das städtische Hasenbergl, das ländliche Feldmoching und den hier zu sehenden Feldmochinger See. (Foto: Stephan Rumpf)

Der Bezirksausschuss kann bei der anstehenden Diskussion zur Stadterweiterung allenfalls das Gesprächsklima beeinflussen. Die Entscheidungen fallen im Stadtrat. Und ausgerechnet dort ist Feldmoching-Hasenbergl in den kommenden Jahren deutlich unterrepräsentiert. Kein Kandidat aus dem Stadtbezirk hat es über die Listen der großen Parteien ins Rathaus geschafft. "Das war die Quittung dafür, dass wir uns gegen die SEM ausgesprochen haben - gegen die Stadtratsfraktion", sagt Obersojer von der CSU.

Als einziger Politiker aus dem Stadtbezirk hat der Chef der München-Liste, Dirk Höpner, ein Stadtratsmandat ergattert. Das wird es dem Wachstumskritiker ermöglichen, im Rathaus als Alleinvertreter des gesamten Stadtbezirks aufzutreten - ohne ein Gegengewicht. Politisch hat das Feld die Stadt geschluckt.

© SZ vom 02.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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