Kommunalwahl 2014:Die überforderten Kandidaten

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Sie haben es nicht leicht, die OB-Kandidaten in München (von links): Dieter Reiter, SPD, Sabine Nallinger, Grüne, Josef Schmid, CSU. (Foto: Claus Schunk)

Sie sollen jedes Problem lösen, in verschiedenen Welten zu Hause sein, gleichzeitig erfahren, aber jung im Kopf: Die Spitzenkandidaten der Parteien bei der Kommunalwahl haben es nicht leicht. Und dann ist da noch das Problem mit den Vorgängern.

Ein Kommentar von Kassian Stroh

Gesucht wird: ein Kandidat, Mann oder Frau, der hier verwurzelt ist, dessen Blick aber nicht an den Stadtgrenzen endet. Der eine Idee für die Stadt hat, Visionen sogar, und sich zugleich jedes Detailproblems persönlich annimmt, das ihm in der Bürgersprechstunde angetragen wird - und sei es die Suche nach einer Wohnung. Der erfahren ist und jung im Kopf, verwaltungsaffin, aber nicht bürokratisch. Ein Charismatiker und mitreißender Redner, zugleich bodenständig und bürgernah. Gesucht wird: ein neuer Oberbürgermeister oder eine neue Oberbürgermeisterin. Doch wer soll all diese Kriterien erfüllen?

Je näher die Kommunalwahl rückt, desto lauter wird das Klagelied: Wen, bitte, soll man denn bei diesem Angebot wählen? Oder doch besser gleich einen leeren Stimmzettel abgeben? Es erklingt in vielen Kommunen, die neue Bürgermeister oder Landräte bestimmen. Und besonders laut ist die Klage in München. Natürlich dürfen die Bürger einer Millionenstadt besondere Erwartungen an ihr künftiges Stadtoberhaupt hegen, zu Recht fordern sie etwas von ihm oder ihr. Nur dürfen sie die Kandidaten auch nicht überfordern, mit Erwartungen überfrachten, die sie nicht erfüllen können. Diese Gefahr aber ist groß geworden.

Das hat mehrere Gründe: Die Ansprüche der Bürger an Staat oder Kommune sind gestiegen, jedes große Problem und jedes winzig kleine Ärgernis vor der Haustür zu lösen (und zwar bitte schnell). Zugleich ist Politik schwieriger geworden, die rechtlichen Vorgaben sind komplexer, die Entscheidungswege langwieriger. Und ein dritter Grund ist: Es gibt da ja noch die Vorgänger. Die werden in der Rückschau oft glorifiziert und zu erdrückenden Vorbildern. Längst verblasst ist die Erinnerung an ihre Schwächen oder daran, dass auch sie Zeit gebraucht haben, um in ihrem Amt Format zu erlangen.

Um nur ein Beispiel zu nennen: Hans-Jochen Vogel, längst zur Lichtgestalt der Münchner Kommunalpolitik erhoben. Der hatte bei seinem Amtsantritt 1960 auch eine Vision, die er vorantrieb. "Autogerechte Stadt" nannte sie sich, breite Straßenschneisen sollten die Innenstadt zerschneiden. Welch Segen, dass Vogel wegen des Protests der Bürger diese Vision nie umsetzen konnte. Und wie gut, dass er sich bald darauf eine andere Idee zu eigen machte: die Olympischen Spiele nach München zu holen. Nur: Als Vogel diesen Plan anpackte, war er bereits fünf Jahre lang Oberbürgermeister. Und damit fünf Jahre lang nicht mehr: Kandidat.

© SZ vom 10.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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