Münchner Momente:Früher war mehr Krawatte

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An Weiberfasching wurden früher noch jede Menge Schlipse abgeschnitten. Doch der Brauch ist aus modischen Gründen gefährdet - ebenso wie der Fasching selbst.

Glosse von Andreas Schubert

Den unsinnigen Donnerstag, der an diesem Donnerstag mal wieder ist, haben sich früher sowohl Frauen als auch Männer immer im Kalender angekreuzt. Die Frauen mit der Notiz "Schere mitnehmen", die Männer mit "kaputte Krawatte vom letzten Jahr aus der Schublade holen". Heutzutage ist das anders. Denn der alte Brauch des Weiberfaschings, Arbeitskollegen - am besten noch dem Chef - zur allgemeinen Belustigung der Kolleginnen den Schlips abzuschneiden, gerät allmählich in Vergessenheit.

Das hat mehrere Gründe: Immer mehr Männer, auch die Chefs, tragen keine Krawatte mehr - weil sie nicht wissen, wie ein Knoten geht, weil ihnen so ein Binder die Luft abschnürt oder weil er zum Schlabberhoodie im Home-Office irgendwie eigenartig ausschaut. Dann gibt es auch noch solche, die Neu-Krawattenträger Robert Habeck für einen miesen Verräter halten, die zwecks der Gendersensibilität auf das phallische Symbol des Patriarchats am Kragen verzichten und für die Wörter wie Weiberfasching oder Begriffe wie Tanz der Marktweiber aus demselben Grund ganz und gar böse und bäh sind. Andere wiederum verzichten aus Prinzip auf den Fetzen um den Hals, nachdem sie im allwissenden Internet erfahren haben, dass der sogenannte Weiberfasching nichts anderes als eine Erfindung der Krawattenindustrie und des Scherenkartells ist, um ihre Umsätze anzukurbeln.

Ja, um den unsinnigen Donnerstag ist es schlecht bestellt in diesen Zeiten, was auch dem Fasching generell zum Verhängnis werden könnte. Denn weiland hatte einen das große Schlipsgemetzel im Büro wenigstens daran erinnert, dass überhaupt Fasching ist. Wenn man nicht gerade ein damischer Ritter, ein anderweitig organisierter Narr oder Rathauspolitiker war, ging der Fasching in München schon mal völlig unbemerkt an einem vorbei. Die vergangenen beiden Jahre und heuer nahm man die narrische Zeit schon eher wahr - aber auch nur wegen der vielen Meldungen, dass sie ausfällt. Nächstes Jahr werden wir sie, so Corona will, wieder wie gewohnt ignorieren. Dass wir dasselbe auch mit der anschließenden Fastenzeit vorhaben, versteht sich dabei von selbst.

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