Kritik:Das Drama zeigen

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Der junge Pianist Maximilian Haberstock führt im Kleinen Konzertsaal im Gasteig sein großes Talent vor.

Von Paul Schäufele

Mit dem Erzählen geht es bergab, hat Walter Benjamin sinngemäß geschrieben. Was 1936 für die Tradition der mündlichen Weitergabe von Erfahrungen galt, kann heute über die Klavierkunst gesagt werden: Viel ist nicht mehr da von der einst selbstverständlichen Gabe der Virtuosen, eine packende Geschichte am Instrument vorzutragen. Da wirkt ein Talent wie Maximilian Haberstock gleich doppelt wundervoll. Nicht nur, weil der siebzehnjährige Pianist Liszt und Prokofjew im Kleinen Konzertsaal im Gasteig mit einer Sicherheit spielt, die an sich schon beeindruckt, sondern vor allem, weil etwa in Liszts h-Moll-Ballade deutlich wird, dass hier jeder Notenkatarakt in Wahrheit nur Mittel ist, um ein zugrundeliegendes Drama in Musik zu fassen.

Da tut es nichts zur Sache, dass Beethovens "Appassionata" eingangs ein wenig aus den Fugen gerät, zu hastig und daher auch klanglich nicht ausgereift. Das war Anfangsnervosität. Wer könnte es Haberstock verdenken? Die Möglichkeiten, Konzerterfahrung zu sammeln, waren jungen Künstlern kaum gegeben in den vergangenen zwei Jahren. Da ist es eher erstaunlich, mit welch souveräner Spannkraft der junge Pianist Liszts Ballade entwickelt. Hier ist er ganz bei sich und kann der tumultuarischen Partitur mit dirigentischer Perspektive Leben einhauchen.

Es fällt nicht schwer zu glauben, dass es Haberstocks Fernziel ist, ein Orchester zu leiten. Oder: noch eins, denn ein Kammerorchester leitet er schon, der neben Klavier Dirigieren studiert. Und warum sich beschränken? Deshalb komponiert Haberstock auch, etwa eine charmante "Fantasie über die deutsche Spätromantik" mit kreativer Anverwandlung von Richard Strauss-Melodik und Wagner'schen Harmonien. Das Gefälle zu Prokofjews siebter Sonate könnte nicht größer sein. Doch im Laufe des Abends hat Haberstock zu immer mehr Klangkontrolle gefunden - der Kopf wurde kühler, so dass er auch diese konstruktivistisch inspirierte Sonate mit beißendem Sarkasmus und zerbrochenen Melodien charaktervoll gestaltet.

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